Transkript der Podiumsdiskussion zum Thema "Diversity in der Wirtschaft- Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis"
Transkript der Podiumsdiskussion „Diversity in der Wirtschaftaft: Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis“ vom 05.07.2023 in der Heilig-Geist-Kapelle in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Spandauer Str. 1, 10178 Berlin. Die Podiumsdiskussion ist Teil des Pilotprojekts „Chancengleichheit Intersektional“ an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin.
Moderation: Melanie Bittner
Panelist*innen: Prof.in Dr. Sulin Sardoschau, Lucy Larbi, Prof. Dr. Daniel Guhl, Dome Ravina Olivo und Hannah Nitsch
Melanie Bittner: Hallo. Guten Tag. Mein Mikro scheint zu funktionieren. Sie können mich gut hören? Super. Schön. Herzlich willkommen zu der Veranstaltung „Diversity in der Wirtschaft: Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis“. Ich muss mich noch ein bisschen an den Hall gewöhnen, aber das dauert bestimmt nicht so lange.
Mein Name ist Melanie Bittner. Ich bin Beraterin für Gender, Diversity und Anti-Diskriminierungskultur und ich darf die Veranstaltung heute moderieren. Organisiert wurde die Veranstaltung allerdings von Svea Horn hier in der ersten Reihe, die hier an der Fakultät ein Pilotprojekt zu Diversity an der Humboldt Universität durchführt, vielleicht kennen sie auch viele von Ihnen schon.
Ich würde als erstes unsere Podiumsgäste vorstellen, über deren Zusagen wir uns sehr gefreut haben, dass sie heute Abend mit uns diskutieren werden. Wir haben ganz unterschiedliche Perspektiven vertreten und ich bin schon sehr gespannt auch dann im Anschluss auf Ihre Fragen und die Diskussion. Das heißt wir werden jetzt erst ein bisschen auf dem Podium diskutieren, maximal sechzig Minuten, und dann aber auch öffnen für Fragen, Kommentare, Ergänzungen, Erfahrungen von Ihnen. [Pause]
Gut. Alle sehen total bereit aus. [Lachen] Super. Ich werde erst die externen Gäste vorstellen und ich beginne mit Lucy Larbi, zwei Plätze weiter von mir aus gesehen. Lucy ist Staatswissenschaftlerin, hat unter anderem an der Universität der Vereinten Nationen studiert und arbeitet zum einen angestellt als Consultant bei einer Unternehmensberaterin, aber auch als selbstständige Beraterin für Diversität und Agilität Plus. Sie hat den gemeinnützigen Verein Future of Ghana Germany mitgegründet und engagiert sich außerdem bei AiDiA. Das ist eine Ausgründung von Future of Ghana Germany und es ist der erste Afrodeutsche Startup Pitch. [Pause]
Dome Ravina Olivo an der Seite ist Diversitytrainer:in, hat einen Studienabschluss in Gender Studies und Sozialwissenschaften. Wahrscheinlich hier an der Humboldt Uni, habe ich bei der Fächerkombination angenommen? Genau. Der Schwerpunkt liegt in der Auseinandersetzung mit Anti-Diskriminierung und Pluralität in öffentlichen Einrichtungen, insbesondere in Bildungsinstitutionen, wie ja auch Universitäten. Stark beeinflusst wird die Arbeit von einem Rassismus-kritischen und geschlechtersensiblen Blick, der Mehrfachdiskriminierung mitdenkt.
Also, ich sage vielleicht noch einmal dazu, ich stelle alle nur ganz kurz vor. Alle haben noch total viele andere interessante, wichtige Sachen gemacht, aber ich wollte nicht so lange zu Beginn Raum einnehmen.
Hannah Nitsch ist Masterstudentin hier an der Fakultät, VWL, hat auch ihren Bachelor hier an der Fakultät gemacht und war eineinhalb Jahre Dezentrale Frauenbeauftragte und sie ist Mitglied der noch relativ junge Initiative „Women in Economics at Humboldt University“.
Daniel Guhl, Juniorprofessor für BWL, insbesondere Konsumentenverhalten, ist also an der Schnittstelle Marketing, Psychologie unterwegs, hat an verschiedenen Universitäten aber auch schon für ein Start-up gearbeitet und ist Mitglied des Sonderforschungsbereichs „Rationality and Competition“.
Und Sulin Sardoschau, auch Juniorprofessorin hier an der Fakultät für Migrationsökonomik, also in der Volkswirtschaftslehre verortet. Sie leitet die Abteilung Ökonomische Migrations- und Integrationsforschung am BIM, dem, das muss ich ablesen, Berliner Institut für Empirische Integrations- und Migrationsforschung. Sie ist in ganz unterschiedlichen Organisationen Mitglied, unter anderem, das fand ich jetzt besonders relevant hier für unsere Veranstaltung, im Minorities in Economics Committee der European Economic Association. Und sie hat 2021 im Sommersemester den Preis für gute Lehre erhalten. [Pause] Ja, Lehre ist unterbewertet an Universitäten, deswegen finde ich das gut, das hervorzuheben.
Viele Organisationen beschäftigen sich in den letzten Jahren zunehmend mit Diversität. Auch ganz viele Universitäten haben jetzt Vizepräsident:innen für Diversität, haben Stabstellen für Diversität, haben Mission Statements, Leitbilder, Konzepte, und so weiter. Diversity wird übersetzt mit Diversität oder Vielfalt. Es wird ganz unterschiedlich für Diversity argumentiert, mit Gerechtigkeitsargumenten, aber auch ökonomischen Argumenten. Manche lieben den Begriff dafür, dass er so vage und ungenau ist, andere kritisieren ihn deswegen besonders gerne.
Ich würde tatsächlich damit anfangen, vielleicht so ein paar Eindrücke zu sammeln, was unsere Gäste unter Diversity verstehen, so als kurzes Warm-up. Fangen Sie an und dann machen wir einfach so der Reihe nach, ist das in Ordnung? Super.
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Also, Diversity ist für mich ein Teilbegriff von Pluralität, dass unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Markern in Interaktion miteinander stehen. Also das kann von Gender über selbstwahrgenommene oder gelesene Identität, religiöse Identität stehen. Und ich glaube Diversity ist nicht so genau definiert, zumindest in der Ökonomie nicht. Ganz viele Papiere nutzen das sehr vage und definieren das auch sehr unterschiedlich. Ich habe noch nicht so für mich entschlossen, ob ich den Begriff jetzt gut oder schlecht finde und freue mich von Expert:innen darüber zu lernen, also, ja.
Melanie Bittner: Ja, vielen Dank. Hannah Nitsch.
Hannah Nitsch: Für mich ist Diversity eigentlich etwas, was gegeben sein sollte, weil es etwas ist, was wir ja in unserer Gesellschaft irgendwie sehen und was sich widerspiegelt, wo ich es manchmal ein bisschen traurig finde, dass es eben doch dann noch so groß diskutiert werden muss. Auf der anderen Seite finde ich es auch sehr wichtig, vor allem in den Wirtschaftswissenschaften, weil wir da dann schon auch häufig sehr heteronormativ noch unterwegs sind. Wie gesagt, ich bin auch keine Expertin in dem Bereich, aber bin grundsätzlich der Meinung und sehe es aber auch langsam, dass die Sichtbarkeit gestärkt wird und dass wir hoffentlich nicht für immer explizit über Diversity diskutieren und sprechen müssen, sondern dass es irgendwie eine Gegebenheit und eine Selbstverständlichkeit wird.
Melanie Bittner: Vielen Dank. [Pause]
Prof. Dr. Daniel Guhl: Okay, also ich verbinde eigentlich mit Diversity, Diversity oder Vielfalt eigentlich nur eine Menge positive Dinge, weil sowohl in meiner Zeit an Universitäten oder auch in einem Start-up wo ich gearbeitet habe war eigentlich der Punkt Vielfalt bei den Leuten, die dort gearbeitet oder geforscht oder gelehrt oder studiert haben, eigentlich immer nur positiv. Also es ging im Start-up immer besser voran, wenn man unterschiedliche Menschen zusammengebracht hat, die gemeinsam an Sachen gearbeitet haben und wenn man alle in einen Raum steckt, die irgendwie zu wenig divers sind, kommen auch keine neuen Ideen dabei raus.
Melanie Bittner: Vielen Dank. Lucy Larbi.
Lucy Larbi: Ja, vielen Dank. Für mich ist Diversity ja eigentlich das leichtfüßige Stattfinden von Unterschiedlichkeit und Vielfalt. Einfach so, dass sich niemand wie der Elefant im Raum fühlen muss.
Melanie Bittner: Ich danke schön. [Pause, Rauschen]
Dome Ravina Olivo: [geflüstert] Danke. [normale Lautstärke] Für mich ist Diversität,- Ich glaube, ich zitiere einen Slogan von der Stadt, gelebte Vielfalt und real vorhandene Pluralität. Allerdings, wir werden dazu zu sprech- darüber zu sprechen kommen, wie Professor Sardoschau gemeint hat, also, genau, gibt es unterschiedliche Auslegungen dieses Begriffes und es gibt bestimmte Auslegungen, die auf jeden Fall diese Pluralität, glaube ich, nicht in ihrer Ernsthaftigkeit widerspiegeln und meinen und ich glaube gegenüber eines solchen Verständnisses bin ich -[unverständlich].
Melanie Bittner: Vielen Dank für den ersten Eindruck. Eigentlich könnten wir damit jetzt schon diskutieren, habe ich den Eindruck. Ich stelle aber noch ein paar mehr Fragen. Und, weil unsere Panelists zu recht unterschiedlichen Themen arbeiten, werde ich sie nacheinander fragen, also sozusagen nicht im Moment erst einmal noch nicht so abwechselnd und ich fange mit Dome Ravina Olivo an.
Sie machen ja ganz viel Bildungsarbeit zu Diversity, Anti-Diskriminierung, das heißt es geht darum auch Verständnis für Diversity zu vermitteln, zu sensibilisieren für Diversity, Anti-Diskriminierung. Können Sie uns ein bisschen mehr darüber erzählen, was Sie vermitteln in einem Diversity-Training oder sozusagen einer Weiterbildung die, wo es auch um Diversität geht.
Dome Ravina Olivo: Ja gerne. Also, ich vermittle, oder versuche zu vermitteln, möchte gerne vermitteln, ein positives Verständnis von- Also, für mich ist Diskriminierung- Genau, der Versprecher, also Diversität ohne Diskriminierung, nicht zu denken. Und, genau, ich- Die Forschung zeigt, und auch meine Erfahrung in dem Bereich, Workshops, Bildungs-, politische Bildung, dass Menschen ein, also, des Öfteren, ein falsches Verständnis von Diskriminierung haben. Nämlich eins, das durch- Also, Diskriminierung zeigt zum Beispiel, ausschließlich auf Interaktion zwischen einzelnen Personen zurückzuführen oder intendiert, also ich müsste quasi wollen, also diskriminieren wollen, damit Diskriminierung stattfindet. Sie äußere sich nur physisch, würde an den Rändern der Gesellschaft eher vorgefunden werden, statt gesellschaftsinhärent sein, also der Gesellschaft, also so zu sagen- Diese Gesellschaft ist auf und durch Diskriminierung gebaut.
Und Diskriminierung ist halt als soziale Tatsache nicht weg zu schaffen, und, beziehungsweise schon, indem wir uns halt dagegen, also, dagegenhandeln und uns dafür einsetzen, genau. Und auch, dass quasi auch irgendwie nur eine reine kognitive intellektuelle Auseinandersetzung mit Diskriminierung, Diskriminierung wegschafft. Und was ich dem entgegensetze ist ein komplexes Verständnis von Diskriminierung, das eben, wie, wie ich vorhin erwähnte, Diskriminierung als soziale Tatsache sieht und auch die Chancen und Möglichkeiten darin erkennt, sich mit diesen, also dieser Komplexität zu würdigen und nicht nur Diversität als Diversität/Diskriminierung als etwas zu sehen, was eine additive irgendwie Sammlung von unterschiedlichen Begriffen. Genau. Das war es.
Melanie Bittner: Ja. Sie haben schon das Lernen über Diversity angesprochen und auch schon gesagt, dass es da eben nicht nur um, um Fachwissen, kognitives Wissen geht, also nicht nur um Daten, zum Beispiel. Wer ist, wer ist vertreten an Universitäten? Wer hat Professuren? Wer hat keine Professuren? Wer studiert? Welche Fächer? Wer, wer studiert eigentlich gar nicht, weil vorher irgendwie vielleicht schon eine Barriere da ist? Das heißt, wenn wir sagen, bei Diversity geht es nicht nur um kognitives Wissen, geht es zum Beispiel auch um emotionales Wissen, um unsere Erfahrungen, um uns als Person? Wie wirkt sich das auf das Lernen über Diversität aus? Ist das, ist das hilfreich? Macht es das manchmal schwierig? Können Sie da so ein bisschen erzählen, vielleicht so welche Reaktionen Sie kennen, beobachten…
Dome Ravina Olivo: Ich glaube, also, ich meine etwas, was man halt nicht öfters hört, wenn man von Diversität oder Diversity spricht, ist, dass diese Vielfalt, Pluralität, dass es hier auch um Ressourcen geht. Und Ressourcen sind auch mit Macht und Herrschaftsverhältnissen verbunden, die es ja nicht- Wie nennt man das? Also, die sind, die sind unausschöpflich- [Pause] Ich habe das Wort- [unverständlicher Kommentar aus dem off] Genau, die sind knapp, danke schön. [lacht] Die sind knapp und das, das wisst ihr ja am besten, wenn ihr von der Volkswirtschaftslehre kommt und-
Genau, das heißt, wer zum Beispiel mehr Ressourcen hat, ganz vereinfacht, ganz leicht gesagt- Also, wenn es Menschen gibt, die ganz viele Ressourcen haben, dann gibt ja es auch automatisch Menschen, die weniger Ressourcen haben. Und wie diese Ressourcenverteilung irgendwie aufgestellt ist, und, genau, darüber glaube ich, also, dieses sich Gedanken darüber zu machen und diese Gespräche zu haben und diese Diskussionen zu führen, ist glaube ich etwas, was für Menschen allgemein für uns alle nicht ganz leicht ist, weil das natürlich uns alle tangiert.
Also, wir sind ja Teil dieser Diversität und genau- Also, mir wird zum Beispiel sehr oft eine sehr akademisierte Sprache nicht vorgeworfen, aber so gefeedbacked. Und ich- mir fällt das nicht leicht das anzunehmen, weil für mich das halt irgendwie eine Ressource war mich in einem gewissen Kontext überhaupt irgendwie annährend Respekt zu verschaffen oder Anerkennung. Gleichzeitig ist das aber eine Barriere, die ich schaffe für Menschen, die eben zum Beispiel nicht im universitäreren Kontext sich bewegen und die ich ja auch mitnehmen möchte in den, also in den Dingen, die ich mache und den Inhalten mit denen, die ich vermitteln möchte und mit denen ich arbeite und genau-
Das heißt also, ich glaube Diversi-, also die Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Diversität in Bezug auf Emotionen, also, die macht ganz viel mit uns. Und eben auch, weil sie ja, wenn sie ernst gemeint wird oder ist, auch so, also, Macht und Herrschaft auch mit einbezieht, also die Reflexion darüber. Und ich glaube auch, dass manchmal Menschen, oder das, was ich auch beobachte ist, dass Menschen sehr oft irgendwie diesen Wunsch haben, wenn ich mich ganz viel kognitiv und intellektuell mit etwas auseinandersetze, dann-
Ich meine, dass ist auch eine sehr, etwas, von sehr auf etwas, [lacht] westliche Annahme. Also, so „ich beherrsche ein Thema“ und ich glaube mit diesem Thema ist das eher schlecht, weil wir dann, weil wir dann ja auch irgendwie Dinge vergessen dabei. Und ich glaube, das ist, das sind halt auch zu mindestens zwei Aspekte, die ich sehr um der, in der Auseinandersetzung mit Diversität und Diskriminierung bei Menschen in meiner Arbeit.
Melanie Bittner: Also ich höre raus, dass wir ganz schön viel Ambivalenz aushalten müssen, wenn es um Diversität geht. Und ich weiß nicht, ob Sie heute so ein bisschen in die sozialen Medien geguckt haben. Es wird ja gerade diskutiert die Kürzung des Elterngelds für besonders gutverdienende Eltern. Ich würde jetzt sagen, dass das eigentlich gerade die Diskussion, die da stattfindet, ein Paradebeispiel dafür sozusagen wäre. Sieht, versteht, wessen Situation, argumentiert, wie, also, beschäftigt uns, oder beschäftigt ja unsere Gesellschaft jeden Tag.
Ich würde noch mal eine letzte Frage an Sie stellen, und zwar was Hochschulen, was Universitäten anbelangt. Was können aus Ihrer Sicht Hochschulen tun, um Diversität wirklich zu realisieren? Also, es ist ja auch oft so ein Kritikpunkt, dass Diversity auf der Webseite zwar irgendwie ausführlich dargestellt wird und in glänzenden Broschüren, also Print vielleicht jetzt nicht mehr so, aber im übertragenden Sinne in glänzenden Broschüren dargestellt wird, aber dass es dann in der Organisation irgendwie doch nicht so viel zu merken, zu spüren, zu sehen ist. Was wäre da aus Ihrer Sicht besonders wichtig und was würden Sie vielleicht so als Kriterium heranziehen, um zu entscheiden „Meint diese Uni das ernst? Meint diese Fakultät das ernst?“
Dome Ravina Olivo: Also ich glaube, ich meine wir alle haben- Also, es gibt, es gibt einen legalen Rahmen. Wir alle haben Rechte und ich glaube aber in diesem Sinne sind Diskriminierungsverbote und Gleichstellungsgebote zum Beispiel nicht genug, um Diskriminierung zu bekämpfen und sich für Diversität einzusetzen. Und ich glaube, Unis, Hochschulen, die Hochschule, also Hochschulen allgemein, sind sehr gut darin den sogenannten ‚Diversity-Talk‘ zu sprechen. Und irgendwie, sie sagen, also, auf ihrer, auf ihren Seiten, sich dafür auszusprechen etc., aber nicht dann tatsächlich materiell etwas zu verändern.
Und ich würde- Also, zum Beispiel Professor Maisha Auma, Kindheits- und Diversity-Studies Professorin, meinte in einem Interview mit dem Tagesspiegel, ich glaube 2020, hat sie die, die Ungleichheit an Universitäten verbildlicht und vor allem sich auf Rassifizierung, Rassismus und... bezogen. Und ich würde sagen Mitte-2023 sind wir nicht so viel weitergekommen. Also, in Deutschland ist der Schnitt, von, also, zum Beispiel der Anteil an Professor:innen, Wissenschaftler:innen, in, da, in, also nicht prekären Verhältnissen, Beschäftigungen, irgendwie viel geringer, als der Anteil von männlichen wissenschaftlichen Personal, von BIPOC, also von als „nicht-weiß“ rassifizierten Personen, ganz zu Schweigen.
Ich glaube, ich würde eine, eine Hochschule ernst nehmen, die auch, also, die nicht auf der diskursiven Ebene verbleibt, sondern, die materiell Sachen verändert, die Räume öffnet, wie dieser, wo auch Menschen, die Ressourcen- Wie das, was Sie erwähnt haben, also die Diskussion um das Elterngeld für Eltern, die gut verdienen. Genau, Menschen, die an Universitäten und Hochschulen sehr viele Ressourcen haben sitzen glaube ich gerade hier nicht tendenziell. Und genau- Ich, ich glaube es braucht, es braucht auch anstrengende, sehr mit Ambivalenzen und Widersprüchen verbundenen auch Auseinandersetzungen, um da wirklich weiterzukommen über die, über das Sprechen hinaus.
Melanie Bittner: Ein Kollege von mir, Günther Vedder aus Hamburg, sagt immer „Diversity muss man auch aushalten können“. Vielen Dank, ich würde mit Hannah Nitsch weitermachen. Sie kennen ja die Fakultät als Studentin und ehemalige Dezentrale Frauenbeauftragte sehr gut. Also im Amt der Frauenbeauftragten bekommt man ziemlich viele Einblicke in Dinge, die so passieren in einer Organisation. Was haben Sie denn in Ihrem Studium hier, also in dem formalen Teil des Studiums, nach dem frage ich jetzt erst einmal, hier über Diversity gelernt und was würden Sie vielleicht gerne lernen? Was hat Ihnen gefehlt, fehlt Ihnen? Sie sind ja auch noch, noch dabei im Master.
Hannah Nitsch: Ja, also grundsätzlich, was ich gelernt habe, lässt sich glaube ich schnell zusammenfassen: relativ wenig. Was aber grundsätzlich, würde ich behaupten, nicht unbedingt dem geschuldet ist, dass es niemanden interessiert, oder, dass es auch die Lehrenden nicht interessiert, sondern vielleicht eher an der Ausrichtung des Studiums liegt, was wir hier haben. Ich kann es nur vergleichen mit meinem Auslandssemester, wo wir dann schon noch einmal eine andere Richtung eingeschlagen haben in dem Sinne, dass ich das Gefühl hatte, vor allem im Bachelor, dass schon sehr theoretisch gelehrt wird.
So und von wem stammen die Theorien? Von wann stammen die Theorien? Gut, hauptsächlich von Männern, zumindest von denen man weiß. Was die Frauen da im Hintergrund gemacht haben, ist eine andere Frage, und die stammen gut, sagen wir aus dem zwanzigsten, frühen zwanzigsten Jahrhundert. Heißt, da war Diversity kein Thema. Also kein großes Thema, zumindest nicht, was über, was man mitbekommt.
Wenn man sich irgendwie eine Solow-Wachstumsgleichung anschaut, da geht es nicht darum, okay welches Geschlecht oder wo kommen die Leute her oder sind es Migrants oder sind es Natives? Das ist alles kein Thema. Das heißt, mein [unverständlich] nach meinem Verständnis, ist es auch teilweise einfach der Rahmen nicht gegeben, um sich damit auseinanderzusetzen. Ich glaube es gibt einige, die- Danke. [lacht] Die, das versuchen, das zählt Sulin glaube ich auch mit dazu. Ich mache gerade auch, full transparancy, einen Kurs bei ihr, der eben auch im Titel schon den Titel „applied“ trägt. Und damit aber eher zu den Ausnahmen gehört bei uns an der Fakultät.
Um noch einmal kurz den Bogen zu schlagen zum Auslandssemester: da war ich in London. Das ist ein anderes System, da wird anders gearbeitet. Und da geht es eben viel mehr darum, dass man sich anschaut „Okay, was ist denn die aktuelle Forschung? Was wird denn gemacht? Was passiert denn aktuell? Womit setzen sich die Researcher auseinander?“ Und da ist es viel mehr ein Thema, weil, wie gesagt, ich glaube es mangelt nicht am Interesse, sondern, es mangelt teilweise am Rahmen.
Es gibt genug Researcher, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzen. In Potsdam gibt es einen Gender Economics Kurs. Was da, also ich würde annehmen, dass der auch nicht sehr theoretisch aufgebaut ist, sondern, dass es viel mehr darum geht, sich aktuelle Fragestellungen anzugucken, weil dieses Thema Diversity ist in den Wirtschaftswissenschaften noch nicht, meines Wissens nach, noch nicht so lange präsent. Und dann kann man eben sich nicht nur die Theorien anschauen von vor hundert Jahren, sondern man muss vielleicht auch mal schauen, was gerade gemacht wird.
Melanie Bittner: Es ist ja auch ganz interessant, weil es ja schon eigentlich eine der Disziplinen war, die als erste Diversity auch aufgegriffen hat in der deutschen Wissenschaft, aber ist vielleicht eher klein und leise geblieben, dennoch. Ich habe einmal einen Blick in das Gleichstellungskonzept der Fakultät geworfen und das müssen ja Fakultäten an Berliner Holschulden alle, ich glaube alle zwei Jahre? Wissen Sie das gerade? Ich glaube alle zwei Jahre erstellen. Und da sind auch so ein paar Zahlen genannt zu Geschlechterverhältnissen ausschließlich und Geschlecht wird da auch binär verstanden. Also, so zu sagen, ich zitiere das nicht, weil ich nicht denke, dass es mehr Geschlechter gibt, sondern, weil das bei den Daten nicht berücksichtigt wurde.
Bei den Studierenden ist der Frauenanteil so knapp 45 Prozent, bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden 48, bei den Doktorand*innen 44,6. Das ist alles so relativ nah beieinander, würde ich sagen. Aber ganz interessant wird es bei den Professuren und vor allem, wenn mal die Juniorprofessuren mal außen vor lässt. Dann sind nämlich 27 von 30 Professuren mit Männern besetzt. Das sind zehn Prozent Frauenanteil. Der Durchschnitt in Deutschland ist 25 Prozent. Kommt natürlich sehr auf die, kommt natürlich sehr auf die Fächer drauf an. Bei den Juniorprofessuren ist es ausgeglichener. Also, das will ich jetzt nicht verschweigen, die positivere Zahl, die es auch gibt.
Hannah Nitsch, was sind denn aus Ihrer Sicht wichtige gleichstellungspolitische Forderungen um diese leaky Pipeline, dass immer so bei den Übergängen zur höheren Stufe vor allem dann bei den Professuren dann, so viele Frauen verschwinden, plötzlich ja nicht, aber nicht mehr da sind?
Hannah Nitsch: Ich find es grundsätzlich schwierig zu sagen „Okay, das und das und das braucht man.“ Ich bin ja noch in der ganz guten Quote enthalten, also es scheitert ja nicht daran, dass der Nachwuchs fehlt. Ich kann sagen was ich oder womit ich konfrontiert wurde in Berufungsverfahren und Co und es ist nicht zumindest nach meinem Verständnis, oder so wie ich das wahrgenommen habe, liegt es nicht daran, dass irgendwie das Engagement fehlt oder dass man nicht will, dass Frauen oder mehr Frauen berufen werden.
Nach meinem Verständnis ist es schon eher ein strukturelles Problem, wie gesagt, ich habe die Erfahrung nicht. Was ich gehört habe oder wozu es ja auch Research und Meinungen gibt ist, dass Frauen es tendenziell schwerer haben, nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, aber da vielleicht noch eher, weil es dann eben irgendwann immer weniger werden, gehört zu werden. Sei es bei Konferenzen, wo irgendwelche Paper vorgestellt werden, dass sie stärker kritisiert werden, dass sie ja grundsätzlich häufiger, wenn sie laut sind und wenn sie ihre Meinung sagen, eher als die Böse gesehen werden und die Männer werden als ausdrucksstark und effizient und toll und ehrgeizig gesehen. Das ist kein Problem, was wirtschaftlich spezifisch ist, aber wie gesagt, durch diese große Diskrepanz besonders hochkommt.
Und wenn dann eben Bewertungskriterien für ein Berufungsverfahren sind „wir schauen auf die Top-Publikationen“ und es da aber eine strukturelle Benachteiligung gibt im gewissen Sinne, dann ist der logische Schluss, dass Frauen wahrscheinlich nicht berufen werden oder eine deutlich schlechtere Chance haben. Und es gab wirklich im Bewerber-, in Bewerbungsverfahren Bemühungen da eine Parität zu schaffen, aber irgendwann wird es schwierig und man kann Leute im Endeffekt nicht auf Grundlage, nur auf Grundlage ihres Geschlechts berufen und ich finde das ist auch nicht der Weg.
Die Frage ist, ob man irgendwie überlegen müsste eine Quote einzuführen. Da will ich jetzt keine Meinung, oder will mich nicht dazu äußern, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Ich glaube es gibt Positiv- und Negativbeispiele und es liegt auch nicht an mir hier aus meiner Perspektive das zu diskutieren, aber nach meinem Wissen gab es diese Diskussion bisher auch noch gar nicht. Und das ist wahrscheinlich auch keine Entscheidung, die eine Fakultät treffen kann, sondern das muss dann eben übergeordnet passieren. Das wäre das einzige Instrument, was ich mir vorstellen könnte. Ich glaube alles andere, was man machen kann ist Sichtbarkeit schaffen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, so wie wir das jetzt hier gerade machen.
Wenn ich in den Kreis schaue, sind dann aber schon alle eher jünger. Also, wie gesagt, es wurde auch schon gesagt, die, die hier viel Geld haben und die, die Entscheidungen treffen sind wahrscheinlich eher nicht da. Das heißt, ich würde sagen es ist ein Prozess und ich würde sagen es wird noch eine Weile dauern, bis man da irgendwas mit Durchschlagskraft erzielen kann. Ich glaube die ersten Schritte werden gerade gemacht, aber wann man so zu sagen die Früchte davon sieht, weiß ich nicht. Ich tippe mal zehn Jahre mindestens.
Melanie Bittner: Ich habe so raus gehört auf jeden Fall die, die in Leitungsfunktionen sind, sind, sind adressiert, sozusagen, müssen aktiv werden, und ich habe noch einmal so gehört so Stichwort „unconscious bias“. Also, diese unterschiedliche Beurteilung, wenn Frauen und Männer das Gleiche tun, unterschiedlich wahrgenommen zu werden und so, dass das vielleicht noch so ein Thema wäre, was wir ja auch noch einmal mitnehmen können. Ich wollte Sie eigentlich noch fragen, wie Sie das Interesse wahrnehmen an der Fakultät, aber dazu haben Sie schon etwas gesagt [Lachen], würde ich jetzt erst einmal, würde ich jetzt erst einmal zu Lucy Larbi weitergehen.
Jetzt sind wir ja eine Weile hier so ein bisschen in unserem universitären Sumpf hin und her geschwommen. Sie arbeiten ja vor allem mit Unternehmen zusammen und beraten dazu wie Diversität nachhaltig umgesetzt werden kann. Was sind denn aus Ihrer Sicht ganz zentrale Hürden, warum Unternehmen und auch da ja insbesondere Leitungspositionen so viel weniger divers sind, als es die Gesellschaft in Deutschland ja eigentlich ist? Was sind die wichtigsten Hürden?
Lucy Larbi: Ja. Vielen Dank. Übrigens- Ach so, so noch einmal besser. [lacht] Ja, das ist eine gute Frage.
[Mikrofon schaltet sich aus]
Melanie Bittner: [Über das Mikrofon von Lucy Larbi] Das schaltet sich irgendwie immer wieder aus. [Pause]
Lucy Larbi: Jetzt wieder. Genau. Vielleicht ist noch einmal wichtig grundsätzlich zu sagen, genau, dass ich eben mit Unternehmen arbeite. Ich eigentlich zudem Anti-Diskriminierungs- [Pause] Das wollte das Mikrofon- Das Mikrofon wollte nicht, dass ich das sage.
Melanie Bittner: Tauschen Sie mit wem, genau.
Lucy Larbi: Dann tauschen wir einmal.
Melanie Bittner: Danke.
Lucy Larbi: Danke. [Pause] Genau, dass ich da gar nicht so gut bewandert bin, sondern kümmere mich wirklich um die Frage „Wie kriegen wir Unternehmen diverser, so dass sie eigentlich die Gesellschaft spiegeln?“ Und in der Gesellschaft haben wir ungefähr 30 Prozent der Menschen haben einen Migrationshintergrund, sind entweder zugezogen oder haben eben Eltern, die einen Migrationshintergrund haben und dann eben hier Kinder bekommen haben, so wie ich zum Beispiel. Also nicht ich die, sondern meine Eltern haben Migrationshintergrund und ich bin quasi dann hier groß geworden. Und die Frage ist, warum spiegelt sich diese Zahl eigentlich nicht in den Unternehmen wider? Und Ihre Frage ist jetzt, was sind die konkreten Hürden waren das, richtig?
Ja, das ist wie mit allem eigentlich sehr komplex und, wie man immer so gerne sagt, multifaktoriell, aber das eine ist, dass Unternehmen meiner Meinung nach, und das ist auch ganz wichtig das, was ich alles teile, das ist alles meine Beobachtung und subjektive Wahrnehmung. Ich habe nichts geforscht. Ich beobachte nur sehr viel. Und in Unternehmen ist das eigentlich genau der Ort, wo die Leistungsgesellschaft zusammen kommt. Und um Teil, Teil der Leistungsgesellschaft zu sein, muss ich eben einige Anforderungen mitbringen. Und das eine ist meistens irgendwie ein Hochschulabschluss, eine gute Bildung und dann bin ich ein Talent, das in meinem Unternehmen Mehrwert stiften kann.
Das heißt, also wir haben so zu sagen schon einmal die Hürde, dass nur eine bestimmte Persona, also Menschen, die hochqualifiziert sind und auch eine Persönlichkeit mitbringen, in Unternehmen erfolgreich werden können. Um aber diesen- Um aber so erfolgreich zu sein und dieser Persona zu entsprechen, muss ich sozusagen eine, einen Werdegang durchlaufen, der, den eben nicht alle durchlaufen können. Sozusagen, schon in der Grundschule eine Gymnasialempfehlung meistens und dann ein gutes Abitur und dann eben zur Uni und dann an der Uni auch durchstehen und einen guten Abschluss zu schreiben und dann daraus auch, sprich dann zu brillieren.
Das klingt erst einmal einfach. Das schafft man aber nicht so sehr, wenn man eben nicht privilegiert ist. Das ist sozusagen ein großes Thema. Ich gehe jetzt erst einmal nicht so stark darauf ein, sondern gehe noch einmal auf weitere Punkte. Der andere Punkt ist aber auch der Netzwerkgedanke. Menschen rekrutieren Menschen, die so aussehen wie sie selber. Und bedeutet, dass wenn wir Unternehmen und gerade in den Führungspositionen Menschen haben, die- Ich sag jetzt einmal der Prototyp, was wir immer so gerne mittlerweile sagen, der, der weiße Ü-40 cis-Mann, der rekrutiert genauso seinen ebenbürtigen, sein Ebenbild eben.
Deswegen auch, als du gerade sagtest „Quota“, ganz kurz noch einmal dazu, es ist super spannend. Eine kleine Anekdote, die ich mit einer Freundin diskutiert habe zum Thema Quota. Das, was von Männern dann ja immer gerne gesagt wird, ist „Nee, wir wollen ja qualifiziertes Personal, wir wollen ja nicht, sozusagen, Menschen, die aufgrund ihrer Benachteiligung in einem Vorstand sind“ und dann sagte meine Freundin sehr schlau „Naja, aber die Männer im Vorstand rekrutieren sich ja doch auch selber.“ [lacht] Also, das ist eigentlich eine andere Quote, nur die sind auch nicht qualifiziert, die kennen sich nur.
[Lachen]
Und genau- Und deswegen eben, genau das- Also der Netzwerkgedanke führt dazu, dass, dass eben die gleichen Menschen in den Unternehmen arbeiten und dann, ich sage einmal die Selbstgänger. Also, das Thema Unternehmenskultur, die Frage „Fühle ich mich eingeladen, wenn keiner so aussieht wie ich? Vielleicht habe ich eine physische Behinderung, eine physische Einschränkung, vielleicht habe ich, bin ich neurodivergent heißt das glaube ich- Ich kenne mich auch nicht mit den ganzen Terminologien aus. Aber eben, wenn ich eben nicht dem, dem Normalbild entspreche, dann ist die Frage „Möchte ich diese Resilienz aufbauen, um dort angenommen zu werden, um mich dort zu behaupten?“ Und dann gegebenenfalls, ja, akzeptiert zu werden. Das ist halt ein riesen große, ein riesen großer Aufwand, den ich betreiben muss, um dann in so einem Unternehmen auch bestehen zu können.
Ja, ach, und, und, und. Also, es gibt diverse Hürden. Grundsätzlich sind es viele unsichtbare Hürden, die man nicht so sieht. Eigentlich ist der Raum ja offen für alle. Die Frage ist, kann ja eine Frau, kann ja im Vorstand sein. Es kann auch ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, kann auch im Vorstand sein. Es steht ja nirgendwo, dass es nicht so ist. Das heißt die Frage, was sind eigentlich die ganzen unsichtbaren Hürden, die es gibt.
Melanie Bittner: Hmmm, die ganzen informellen Kriterien, [Lucy Larbi: Genau] die eine Rolle spielen. Vielen Dank. Sie haben zwei ganz spannende Organisationen mitgegründet, sind da jetzt auch noch aktiv, Future of Ghana Germany und AiDiA, wo Sie sich, wo Sie insbesondere afrodeutsche Menschen, schwarze Menschen, adressieren. Ich würde vielleicht auch da noch einmal spezifisch nachfragen. Also, Sie haben ja auch gerade schon gesagt, also, Diversität umfasst ja so viele unterschiedliche Aspekte und vielleicht um auch zu verhindern, dass wir immer sozusagen alle in einen Topf werfen, [Lucy Larbi: Ja] und auch versuchen so ein bisschen zu differenzieren. Warum sind denn afrodeutsche Menschen in der deutschen Wirtschaft, und an Hochschulen kann man das eigentlich auch ergänzen, aber wir sprechen gerne über Unternehmen jetzt, so wenig sichtbar? [Lucy Larbi: Ja] Also ja auch einfach ja auch unterrepräsentiert? Representation matters.
Lucy Larbi: Ja. Wenn ich übrigens zu schnell spreche, müsst ihr mir ein kurzes Zeichen geben. Manchmal geht es dann doch ein bisschen schneller, als ich möchte. Die Frage, warum sie nicht, so wenig sichtbar sind, ja. Genau. Also genau deswegen habe ich den Verein gegründet und auch AiDiA initiiert. Sozusagen unser Slogan, unser Slogan ist „Schwarze Menschen dort sichtbar zu machen, wo sie nicht sichtbar sind.“ Warum? Weil auch sie Teil der Gesellschaft sind, aber man sieht sie kaum. Und die Frage ist immer: „Wo sind sie denn? Was machen sie denn?“
Auch als ich damals studierte, war ich natürlich immer auch die einzige schwarze Person in meinem Studiengang. Auch auf meiner Schule war ich die einzige schwarze Person. Mich hat es nie gestört, muss ich zugeben, aber natürlich, wenn ich das reflektiere, habe ich mich gefragt „Warum eigentlich?“ Weil es gibt ja- Ich habe ja ziemlich viele schwarze Freunde und die sind auch alle ziemlich smart und ziemlich cool eigentlich und die Frage ist „Was machen sie?“ Und warum sind sie unterrepräsentiert? Das ist jetzt ein etwas längerer Pferdeschwanz. Sie haben gesagt, 60 Minuten haben wir Zeit [Lachen] Ich versuche es einmal in drei Minuten zusammenzufassen.
Melanie Bittner: [amüsiert] Das wäre super.
Lucy Larbi: Ja, genau. Vielleicht sind es, dann habe ich auch nur zwei Fragen, [lacht] dann beantwortet. Aber es geht so ein bisschen eigentlich auch schon daher, was ich am Anfang gesagt habe. Das Thema Privilegien ist ganz, ganz wichtig. Das ist eben um- Die Frage ist, also, wo sichtbar überhaupt, ja. Ich sage einmal in London oder in Paris, da freue ich mich- da ist das ja schon ganz normal, dass schwarze Menschen, ich sag einmal beim Bäcker arbeiten und beim, keine Ahnung was ich, wo ich war- Vorhin in der Deutschen Bahn hat ich eine schwarze Schaffnerin kontrolliert und das war so komisch. Unsere Blicke waren so „Hä? Was machst du denn hier? Was machst du hier?“ Das war so ziemlich strange, weil wir es einfach noch nicht, weil ich das selber einfach nicht kenne.
Die Frage des Warums- Genau, also nur wer sichtbar ist, findet statt. Und, wenn ich, wenn ich aber als schwarze Person und als auch schwarz gelesene Person, habe ich eben zwei, habe ich meistens zwei Battles. Das eine ist, dass ich eben unterrepräsentiert bin und ich weiß das, und das andere ist, ich nicht differenzieren kann, was ist sozusagen schlechtliche, was ist so zu sagen menschliches, schlechtes Verhalten und was ist wirklich Rassismus. Das kann man irgendwann nicht mehr trennen voneinander. Und ich würde auch nicht jedem vorwerfen, dass jeder Mensch, der mir so zu sagen einen schiefen Blick zu wirft, dass der, dass der rassistisches ist oder diskriminierend ist. Aber irgendwann, weil mir eben als Person, als schwarze Person eben so viele Erfahrungen begegnet sind, kannst du es eben irgendwann nicht mehr unterscheiden voneinander.
Warum zahlt das auf die Frage ein? Weil um sichtbar zu sein, muss ich so zu sagen etwas haben, wovon ich überzeugt bin, dass ich Teil der Gesellschaft bin. Ich fühle mich akzeptiert, ich möchte auch das präsentieren, was ich zu präsentieren habe. Die meisten Menschen sind aber damit beschäftigt, zu beweisen, dass sie nicht das sind, was andere von ihnen glauben. Und das ist ein ganz schön- Es ist ein großer Kraftakt, ständig eigentlich zu beweisen, dass ich nicht das bin, was du, was ich vermeintlich denke, was ich bin. Das ist nämlich auch ganz wichtig, vielleicht denkt die Person gar nichts, als eigentlich einfach in meiner vollen Kompetenz und sichtbar- meiner Strahlkraft sichtbar zu sein.
Naja, und deswegen gibt es eben auch FoG Germany und auch AiDiA, weil mein Ziel ist es schwarzen Menschen in ihrer vollen Kompetenz einfach sichtbar zu machen, um die Narrative zu verändern. Ich glaube ganz, ganz stark daran, dass Diversity eines der großen Hebel ist eigentlich eine Resonanz zu schaffen, grundsätzlich. Das hätte ich einmal am Anfang sagen sollen. Ich finde Diversity soll eigentlich Resonanz schaffen. Bedeutet ganz, ganz empathisch zu sein und zu zuhören und zu zugucken und zu sehen, wen erreiche ich eigentlich gerade und wie erreiche ich eine andere Person?
Ich [unverständlich] zum Beispiel jetzt eine Person- Du schaust hier gerade interessiert zu, das merke ich. Ich sehe gerade, dass keiner am Telefon ist, dann merke ich auch, okay, dass dann, dann hören einige Menschen zu. Könnte aber auch sein, dass- Also wie schaffe ich so zu sagen, dass mit verschiedenen, mit der Vielfalt, die vor mir sitzt, wie schaffe ich Resonanz? Und Resonanz ist nichts anderes, als dass ich einen Radiosender habe und dann, dann den richtigen Radiosender dann nicht bekomme und dann die ganz Zeit das Schhhhh, das Gespräch hab, das Geräusch habe, sondern dann wirklich einen Sender dann schalte. Und je vielfältiger ich bin, desto aufmerksamer und empathischer muss ich sein, damit ich mit jedem und jeder im Raum eben diese, die Verbindung herstelle.
Und, und jetzt habe ich nicht auf die Fragen geantwortet, aber sozusagen abschließend, ist der wirtschaftliche Raum meiner Meinung nach eines der besten Räume, um die Narrative über schwarze Menschen zu verändern. Und ich glaube auch, dass Räume so wie hier, kommen immer Menschen hin, die ohnehin interessiert sind. Menschen- Und es wird auch sehr stark intellektualisiert, akademisiert und es erreicht immer die gleichen Leute und genau, wie du gesagt hast, die, die nicht hier sind, die sind aus einem bestimmten Grund dann nicht hier. Und ich glaube, dass wir die erreichen können, indem wir Innovation zeigen, indem wir Kompetenz zeigen, mit ganz viel Charismatik und eigentlich zeigen, wie wir die deutsche Innovationskraft treiben. Kurz gefasst. [lacht] Also nicht ganz, aber- [Lachen]
Melanie Bittner: Vielen Dank, für die Kurzversion. [Lachen] Wir haben ja vielleicht in der Diskussion dann auch noch Zeit.
Lucy Larbi: Ja, genau.
Melanie Bittner: Dann für eine längere Version. Ich würde aber trotzdem auch noch eine Frage stellen, weil ich das auch jetzt die beiden anderen jetzt schon gefragt habe. Sozusagen nach den Handlungsoptionen, nach dem „Was tun?“. Was können Organisationen, Unternehmen, egal wie, die Maßnahmen sind ja auch, funktioniert ja meistens in unterschiedlichen Bereichen ganz gut, ganz konkret machen, um diverser zu werden und um auch diverser zu bleiben, also das nur sozusagen die Leute eben nicht merken „Ach, ich kann hier gar nicht so sein, wie ich bin. Bin ich hier eigentlich vielleicht doch nicht richtig am Platz?“ und wieder gehen. Also was gibt es, also was gibt es für Maßnahmen?
Lucy Larbi: Also, ich habe drei Maßnahmen, mit denen ich arbeite. Das sind- Die erste Maßnahme ist ein Kontingent für Potential aufzubauen. Wir recruiten nach Talenten, also nach fertigen Menschen, die, ja, Mehrwert stiften. Es gibt aber zahlreiche Potentiale. Menschen, die eben das Potenzial hätten an dieses- ihr Talent zeigen zu können. Aufgrund dieser strukturellen Barrieren und auch Selbst-Unsicherheiten und was auch immer da alles ist, dass sie dieses Potenzial noch nicht ausschöpfen können. Das ist sozusagen eine konkrete Maßnahme, da kann man wirklich mit ganz tolle Organisation arbeiten, wie zum Beispiel unsere, wo wir eine Berufsorientierung haben, wo wir ganz viele junge schwarze Menschen- Also bei uns geht es jetzt primär um schwarze Menschen. Man kann auch mit anderen Vereinen arbeiten, die und Menschen mit Behinderung zusammenarbeiten oder eben mit, mit, mit älteren, seniorigeren Menschen, dass man eben das, dass man da ein potent- ein Kontingent aufgemacht im Recruiting und sagt „Wir rekrutieren nicht nur Talente sondern auch Potenziale.“
Das Zweite ist Beziehung aufbauen. Das ist eigentlich das Wichtigste, denn bei Diversity ist es meist, und da muss man „Inclusion“ dazu denken, da ist immer die Frage „Wer kommt auf meine Party? Aber wer bleibt auf meiner Party?“ und die meisten Unternehmen schaffen es weder jemanden in die Party, auf die Party einzuladen und dann schaffen sie erst recht nicht die richtigen Songs zu spielen, dass mehrere Leute bleiben wollen. Und wie mach ich das? Das mache ich indem ich Beziehung aufbauen und diese Gruppe kennenlernen und ein authentisches Interesse zeige und, ich sage, mal die Merkmale dieser Gruppen kennenlerne, um sie A einzuladen auf die Party, also ins Unternehmen, und, dass sie dann auch da bleiben. Also, was braucht ein Mensch mit einer physischen Einschränkung um zu bleiben? Was braucht eine, eine, eine alleinerziehende Mutter? Was braucht ein alleinerziehender Vater, um zu bleiben? Also, dass man sich wirklich um diese Dinge kümmert und diese Beziehung aufgebaut.
Und das Dritte ist die innere Arbeit. Die innere Arbeit ist einmal das Selbstverständnis des Unternehmens, also „Was verstehen wir eigentlich persönlich unter Diversity und Inclusion?“ Weil, genau, es, also, es gibt mehrere Definitionen, aber ich finde es sehr wichtig, dass wir uns einmal, also für das Unternehmen einmal zu klären und dann Pilotprojekte aufzusetzen. Also ganz klare Ziele, die wir dann uns stecken, die wir dann an Transformation erarbeiten. Zum Beispiel, „Wir wollen bis zum nächsten Jahr, keine Ahnung, irgendwie 17% unserer Mitarbeitenden sollen aus folgendem Studiengang bei uns arbeiten“. Oder „Wir wollen mehr, wir wollen alleinerziehende Mütter“, „Wir wollen Menschen mit religiösem Hintergrund“ und etc. Und, dass wir das als Ziele stecken und dann eben eine Transformation darauf aufsetzen. Das sind die drei Konkreten. Also Beziehung aufbauen, nach Potentialen recruiten und eben die innere Arbeit.
Melanie Bittner: Und dann ja wahrscheinlich bei den Zielen drei Jahre später dann auch gucken, ob es erreicht wurde und, wenn nein, sozusagen dagegen steuern.
Lucy Larbi: Also, das, man kann- das muss man iterativ machen. Also, ich, das- Da kommt so klar das agile Arbeiten, also niemand ist dann divers und es ist auch nicht so, dass wir das von heute auf Morgen schaffen. Das ist ein Weg dahin und wir arbeiten iterativ da dran, in Zyklen, zwei Wochen Takten. Dann machen- Dann gucken wir uns das alles an, wie weit wir gekommen sind und adaptieren das dann. Ja, also es ist ganz, ganz wichtig, dass es dann nicht heißen „wir sind übermorgen dann so und so“, sondern da sollte man agil daran gehen und flexibel immer wieder die Ziele anpassen.
Melanie Bittner: Ganz herzlichen Dank. Daniel Guhl, mit Ihnen wollte ich über Lehre als erstes ein bisschen sprechen, weil Sie in Ihrem Vor- in unserem Vorgespräch auch so ein bisschen auf Fallbeispiele eingegangen sind, die sie in der Lehre bedenken und, dass Sie da auch versuchen mit so einer Diversity-Brille darauf zu gucken. Können Sie uns ein bisschen mehr erzählen, wie gehen Sie da vor? Wählen Sie eher gelungene Beispiele aus? Wählen Sie eher Beispiele, die dann irgendwie gemeinsam kritisiert werden können? Gibt es vielleicht auch Beispiele, wo sich das gar nicht so eindeutig entscheiden lässt? Und wie reagieren die Studierenden darauf? Das würde ich auch gerne noch mit reinpacken.
Prof. Dr. Daniel Guhl: Okay. Ich versuche einigermaßen strukturiert darauf zu antworten. Und vielleicht der letzte Punkt- [Pause] Ich habe als Juniorprof angefangen. Das war direkt bevor die Pandemie losging, das heißt ein Großteil meiner Lehrerfahrung jetzt aus den letzten Jahren basiert aus so einer Zeit, wo ich entweder nur Videos hochgeladen habe oder von Zeit zu Zeit irgendwie Zoom Calls gemacht habe mit 50 schwarzen Kacheln vor mir. Was ich also betonen möchte, ist, dass teilweise die Resonanz der Studierenden derzeit nicht so hoch war, wie ich mir das vielleicht gewünscht habe. Und selbst jetzt noch irgendwie- In meinen Veranstaltungen 250 Leute eingeschrieben sind, aber ich glaube letzten Montag hatte ich 30 in einer Vorlesung. Und das heißt ja auch etwas, oder? Anders würde ich sagen, die Leute, die, von denen ich dann Feedback bekomme, das ist halt nicht an Zufall-Sample von allen Leuten, die irgendwie die Kurse generell besuchen.
Ich würde sagen, bei mir ist es zweigeteilt. Ich hab einen, ich habe zwei Kurse im Bachelor. Einer ist eher ein methodischer Kurs. Ich glaub das ist verhältnismäßig neutral, weil es einfach um Methoden geht. Ich glaube das- Ich überlege gerade, ob ich Beispiele habe, wo in irgendeiner Form Diversität oder Gender, Herkunft, irgendwas eine Rolle spiele, aber mir fällt gerade nichts ein. Der andere Kurs Konsumentenverhalten da ist natürlich ganz anders, weil das ein Stück weit das behandelt, wie Marketing heutzutage funktioniert, oder wie sich da Sachen ergeben haben, die heutzutage aber immer noch üblich sind.
Und da habe ich es schon auch so erfahren, dass es nicht ganz einfach ist, bestimmte Beispiele zu bringen, um generell vielleicht erstmal die etwas antiquietir-, die antiquierten Theorien zu vermitteln. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als Spiegel unserer Gesellschaft. Also ich finde es oder fände es falsch, wenn Sachen außen vorgelassen werden. Der Fokus muss nur darauf sein, zu zeigen, was dort gerade gemacht wird und was die Intention ist und warum das leider immer noch funktioniert, bestimmte Menschenbilder in der Werbung zu zeigen.
Und ich glaube, das ist so ein bisschen so ein Spagat, den Versuche ich auch immer, meiner Meinung nach, klar zu, klar zu äußern und diejenigen, die mich aus meinen Veranstaltungen kennen, wissen dass ich auch von Zeit zu Zeit durchaus bereit bin zu spaßen. [Pause] Und das bestimmte Sachen komplex sind und heutzutage immer noch plumper- problematisch sind. Ich kann mich letztes Jahr daran erinnern, da war gerade der Fall Andrew Tate und ich merke schon, dass wenn ich sage „Hey wie kann es sein, dass so jemand irgendwie Millionen Follower auf Social Media hat“, schon ein Thema, was ich versuche anzusprechen oder zu mindestens irgendwie zu erwähnen. Und durch die Reaktion von den Studierenden meine ich zumindest zu erahnen, dass klar wird, wie auch meine Haltung dazu ist. Ich bin nicht sicher, ob ich auf all Ihre Fragen geantwortet habe.
Melanie Bittner: Ich finde schon. [lacht] Sie haben- Ich bleibe, ich bleibe nochmal kurz bei der Lehre, weil Sie gesagt haben, dass Sie lernen nicht als Einbahnstraße denken wollen, sondern sozusagen auch gucken wollen wer kann hier von wem was lernen? Ich kenne das aus meinen eigenen- Ich mache manchmal Workshops mit Lehrenden und die sagen manchmal, dass sie sich mit dem sprachlichen Gendern beschäftigen wollen. Also Sternchen usw., weil die Studierenden das schon total gut kennen, können, und, weil sie selber irgendwie sich unsicher damit fühlen. Also das ist jetzt so ein Beispiel, wo ich das auch wirklich von, sozusagen, so Lehrenden kenne. Aber was, was sind so Beispiele, wo Sie gemerkt haben, dass Sie von Studierenden lernen können. Gibt es da auch irgendwie einen Zusammenhang mit der Diversität der Studierenden, die ist ja größer als die Diversität der Lehrerenden, immerhin. Ja, wie funktioniert dieses hin und her?
Prof. Dr. Daniel Guhl: Also, Fälle, die mir grad konkret einfallen ist, bei den, bei den Kursen, wo es eher darum geht irgendwie aus, aus Daten irgendwie Konsumenten besser so- Mit Hilfe von Daten Konsumenten besser zu verstehen, dass ich immer wieder auch von Studierenden angesprochen werde und dann so etwas höre wie „Hey, ich, ich mache Folgendes“ oder „Meine Eltern machen Folgendes, wie können wir irgendwie unseren Service verbessern?“ oder „Wie können wir mit den Daten, die wir haben, irgendwie besser rausfinden, wie wir XYZ machen sollen?“ und da kommen ganz oft Sachen, die dann eher, über, die ich mir irgendwie vorher noch nie Gedanken gemacht habe, weil mein Background ist dann so ein bisschen okay. Naja, Data Science, Machine Learning für die Retailer, die man hier so in Deutschland kennt. Und das ist dann vielleicht etwas anderes im Vergleich zu Leuten, die, was weiß ich, auf irgendwelchen Social Media Plattformen unterwegs sind, vielleicht auch Dinge tun, die nur für Erwachsene adressiert sein sollten oder vielleicht Eltern haben, die, weiß ich nicht, einen Kiosk haben oder so was, dann ein bisschen eine andere Größenordnung ist. Und da entstehen oftmals durchaus interessante Situation, ja, und einfach Dinge, über die ich vorher noch nicht so nachgedacht habe.
Melanie Bittner: Ja einfach interessante Impulse und auch ein bisschen mehr lernen im Prozess, was Lucy ja auch betont hat, was in Unternehmen bei Diversity ja auch richtig ist. Vielen Dank.
Ich würde dann Sulin Sardoschau gerne noch Dinge fragen. Ihr Forschungsgebiet ist ja die Migrationsökonomie. Sie beschäftigen sich also auch inhaltlich mit Diversität, also zumindest, wenn wir jetzt Migration mal als Teil von Diversität begreift. Sind Sie damit in den deutschen Wirtschaftswissenschaften eher eine Ausnahme oder gehört die Thematisierung von Migration, Diversität, in der VWL, also können Sie auch gerne darauf beschränken, falls das hilft schon, ziemlich selbstverständlich dazu? Wie ist das aus Ihrer Sicht?
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Also es gibt natürlich Themen, die bieten sich an um Diversität als irgendeine Form von Identitätsmarkern, Sichtbarmachungen, Daten zu analysieren, das kann man in der Arbeitsmarktökonomik machen, das kann man in der politischen Ökonomie machen, das kann man in alles, in allem einbauen, was das methodisch in dem Konstrukt, in der Methode, zulässt. [Melanie Bittner: Hmm.] Ja?
Aber es gibt zwei Ebenen Diversität zu denken in den Wirtschaftswissenschaften. Das eine ist inhaltlich und das andere ist epistemologisch. Also so wie geht man an Forschung ran und was sind die Strukturen? Was sind die historisch gewachsenen Machtstrukturen, die zu einer gewissen Dominanz von einer Theorie über die anderen oder einem Ansatz über den anderen führt? Wieso ist es so, dass wir in der Entwicklungsökonomik, der sogenannten, alles reinwerfen, was nicht OECD Länder ist oder was westliche Länder sind?
Ja, also, das ist methodisch komplett unterschiedlich, da geht es um verhaltenswissenschaftliche Ansätze, da geht es um Arbeitsmarktansätze. Da geht es um alles Mögliche, aber leider, Fakt, das ist in einem Land, also die Daten aus dem Land erhoben werden, das nicht westlich ist, macht es zur Entwicklungsökonomik, ja. Und solche Sachen in Frage zu stellen und zu sagen, wieso unterteilen wir die Felder so? Wieso schränken wir das auf eine gewisse Art und Weise ein? Wieso nutzen wir Ansätze, die anders sind als andere Disziplinen?
Zum Beispiel, wenn wir mit Daten arbeiten, ist es klar, dass wir eine Simplifizierung und automatisch eine Kategorisierung durchführen, ja? Also, wir setzen eine Zahl, Indikatoren auf Individuen und die sind, sozusagen, die Summe ihrer Indikatoren und im besten Fall schätzen wir noch Interaktionseffekte und das war es, ja. Das heißt, wir sind im Prin- eigentlich immer so ein bisschen eingeschränkt in unserem methodischen Ansatz, wie wir über Komplexität nachdenken können.
Das heißt nicht, die Ökonomie überflüssig, im Gegenteil, aber ich glaube, es ist wichtig, aus dieser Metaperspektive immer zu sagen „Warum machen wir die Sache, wie wir sie machen?“ „Wie unterscheiden wir uns von anderen Disziplinen?“ Und wenn wir uns über die Strukturen klar sind und über die Spielregeln, die eigentlich gibt, mit denen wir implizit mitspielen, dann können wir anfangen irgendwie in diesem Space versuchen diese Grenzen so ein bisschen zu verschieben. Und dazu gehört nämlich auch- Klar gibt es methodische Ansätze, aber die Fragestellung, die wir betrachten, das liegt immer noch in unserer Hand.
Und man sieht super häufig selbst in diesen Fachgebieten oder Subgebieten der Ökonomie, wie politische Ökonomie, wo sich solche Sachen anbieten, das ist implizit super viele Annahmen gibt, die aus strukturell, strukturellem Rassismus gewachsen sind, die wir dann unsere Fragestellung reinschütten und das dann empirisch analysieren, uns aber- Und, und dem Ganzen dann so ein, so ein Hauch von Objektivität geben und damit irgendwie negieren, was da für Annahmen eigentlich darunterliegen.
Ja, das heißt es gibt die Metaperspektive und dann gibt es die inhaltliche Perspektive und da sind wir in ganz vielen Bereichen viel besser geworden über die letzten zehn Jahre, ja. Und das ist nicht nur in meinem Gebiet, das ist in vielen Gebieten und jetzt geht es darum, quasi diese Metaperspektive, da noch so ein bisschen mit, mitreinzuspeisen, damit wir also ein bisschen ganzheitlich darüber nachdenken. Aber ich sehe auf jeden Fall sehr viel Forschung betrieben wird zu diesem Teil, oder immer mehr. Und das ist auch für Studenten glaube ich ganz, ganz spannend, weil es irgendwie so ein bisschen greifbarer ist, als so ein theoretisches [unverständlich] Modell. Deswegen findet man da auch irgendwie Anknüpfungspunkte.
Melanie Bittner: Das heißt- Also, was Sie sich auf jeden Fall immer noch mehr wünschen, ist sozusagen dieser kritische Blick auf die Disziplin selber und wie, wie funktionieren wir, welche Methoden nehmen wir wie ernst, wie teilen wir uns ein als Fach. [Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Ja, ja.] Okay. Sie sind aktuell an einem Forschungsprojekt beteiligt. Das klang total spannend in unserem Vorgespräch, dann würde ich Sie auch bitten, noch ein bisschen was zu erzählen. Da geht es darum, wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten in vielen europäischen Ländern zu befragen. Wenn Sie uns vielleicht da noch so ein bisschen etwas über den Ansatz, Anlass und die Zielsetzung erzählen könnten, weil es ist ja auch so ein bisschen die Frage „Was wissen wir denn eigentlich über die Wirtschaftswissenschaft?“ Jetzt Daten zum Geschlechterverhältnis, die kann ich vorstellen, aber was wissen wir denn vielleicht noch nicht? Was wollen sie noch rausfinden?
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Also, ich glaube ich knüpfe so ein bisschen an das an, was vorher schon gesagt wurde und ich freue mich sehr, dass jemand aus der Privatwirtschaft da ist, damit wir diesen ganzen, die disziplinierte Aufzählung von 1,2,3 und klar strukturiert, das ist, das fand ich sehr gut. Ich glaube, bei uns ist es so ein bisschen, dass wir eine Sichtbarmachung brauchen, wie vorher schon quasi in, in der Privatwirtschaft quasi.
Das man das mit Initiativen machen kann und mit unseren sehr eingeschränkten Methoden in der VWL und der Statistik, sehe ich Sichtbarmachung als einfach erst einmal den Status quo festlegen. Also, das ist wirklich unglaublich, wie häufig man überhaupt vie- Mangel an Repräsentation überhaupt erst einmal etablieren und diskutieren muss, bevor das angenommen wird. Ich glaube wir sind hier in so einer Bubble, wir wissen okay, da läuft irgendetwas schief, aber ich war sehr überrascht davon, wie oft man eigentlich den super Basics erst einmal glattziehen muss, ja.
Das heißt erst einmal so ein Status quo herstellen, verstehen, wo sind denn die [unverständlich]? Und da ist es ja genau das, dass man das jetzt zu Gender hat, aber keine andere Statistik. Über muslimisch gelesenen Männer in der Fakultät, ja, oder BIPOCs oder Menschen mit einer He- Sehbehinderung, Gehbehinderung, neurodivergent. All das ist irgendwie nicht auf dem Schirm. Und ich glaube, es gibt viele Gründe und da könnte ich auch noch lange darüber sprechen, warum weiße Frauen das eher geschafft haben, in diesem Diskurs einzudringen und da Bewegung und so ein bisschen so einen Momentum zu schaffen und warum andere Gruppen das nicht, dieses Momentum irgendwie nicht hinbekommen.
Aber ich glaube, das ist halt auch leicht zu erheben, ja. Und so eine Genderquote kann man ganz- 50/50 sollte es eigentlich sein, dass es so die Zielvorgabe. Man kann das relativ einfach mit Selbst-Indikatoren erheben. Und ich glaube, super viel davon, das ist so effektiv ist, ist eben die, das ist Sichtbarmachung gibt. Und deswegen versuchen wir mit dem Verein für Sozialpolitik, das ist der deutsche Ökonominnen Verein und dem Pendant zu Europa eine Survey, und zwar unter allen, nicht nur unter Betroffenen, und zu sagen „Okay, wo steht ihr?“, „Wo habt ihr Diskriminierung erfahren?“, „Was sind eure Vorschläge?“ um einfach mal zu sagen, „Okay, das ist der Status quo und hier und da müssen wir ansetzen.“ und das ist so das Ziel. Und hoffentlich können wir das dann im, im August launchen und deswegen hoffe ich, dass alle hier, wenn sie den Link irgendwie erhalten, das dann auch fleißig ausfüllen, damit wir, damit wir damit rausgehen können und sagen können „Okay, hier mangelt es. Es muss irgendwas passieren“, ja.
Melanie Bittner: Ein paar harte Zahlen zur Überzeugungen zu haben. Und vielleicht nur noch so als Ergänzung. Also bei Geschlecht wird ja auch vereinfacht bei der Kategorisierung. [Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Genau.] Das wird ja jetzt auch einfach immer mehr kritisiert. Ich hätte an Sie alle noch mehr Fragen eigentlich auch auf meiner Liste, aber ich würde jetzt eigentlich erst einmal gerne Ihnen die Möglichkeit geben, vielleicht aufeinander noch zu reagieren, nachzufragen und zu, zu ergänzen. Brennt Ihnen etwas unter den Nägeln? Gibt es etwas, wo Sie widersprechen wollen, ergänzen wollen? Ja, bitte.
Dome Ravina Olivo: Also, ich habe Diplomstudien Internationale Entwicklung in Wien studiert und es hat mich gerade an ein Seminar erinnert, ich glaube es war Entwicklungsökonomie und- Ich, und das ist jetzt überspitzt formuliert, aber das war so ein bisschen was so Armutsforschung und dann so, irgendwie so- Warum neigen Menschen dazu, zum Beispiel für Fernseher dann Geld auszugeben, wenn sie knappe Mittel haben, als für Basisnahrung? Und ich habe einfach, glaube ich, mein Leben in dem Moment irgendwie nicht ganz, also, so verstehen können, weil ich dachte so ich- Das sind tatsächliche Annahme von Wissenschaftler:innen, die- Also, ich- Genau, so, so- Ich, also, ein Verständnis von, von Menschlichkeit, das nur irgendwie rational und, ja, basiert, also, oder zu imaginiert. Also ich, ich hab- Das hat mich irgendwie sehr krass gerade daran erinnert. So wie, wie reduktiv irgendwie Annahmen oder natürlich auch rassistisch und sexistisch und irgendwie abelistisch und was, und alles Mögliche. Aber genau das, das, ja, gar nicht irgendwie so in Frage gestellt wurde, weil das, das war nicht der Teil, wo wir uns hätten, irgendwie, Fragen machen sollen, sondern das war schon gegeben. Und davon ausgehend, dann etwas anderes lernen. Und ich glaube, dass, genau, Sichtbarmachung und auch irgendwie definitiv die Epistemologie, also die Wissenssysteme hinter diesen Annahmen, in Frage stellen.
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Ich würde so viel- [Mikrofon geht aus.] Das Mikrofon weiß auch [Lachen] auch schon Bescheid. Wo wir jetzt schon bei Metaebenen sind, können wir ja das hier noch einmal, diese Diskussion also so auf der Metaebene sehen. Also, so- es gibt ja irgendwie Greenwashing und Pinkwashing und was wir machen, ist auch irgendwie ein bisschen ‚Diversity-Washing‘, ja. Und so- Das darf nicht eine Selbstbeschäftigungstherapie werden von Leuten, die betroffen sind, ja. Also, es kann nicht sein, dass wir hier sitzen und alle Menschen sind, die affin diesem Thema gegenüber stehen, die selbst betroffen sind. Und dann machen wir unseren Circle und das ist nämlich eben nicht ein Safe-Space. Wir sind hier trotzdem nicht im Gespräch, sondern wir sind hier auf einer Bühne und es wird eine Hierarchie dargestellt, also es ist auch kein Space, wo Leute, die betroffen sind, zusammenkommen können und sich irgendwie zusammenfinden können.
Aber es ist auch kein Space, wo die Mehrheitsgesellschaft konfrontiert wird, zumindest nicht die, die da an den wichtigen Hebeln sitzen und was wir machen, ist wir binden unsere Ressourcen, ja. Wir binden unsere Ressourcen, die wir anderweitig investieren könnten, ohne nämlich per se Teilhabe zu schaffen für uns, ja. Und ich frag mich so: Macht es Sinn für uns, die, hier zu sein? Also, so, macht es Sinn für uns alle irgendwie hier zu sein? Oder so, so, jetzt so maßnahmenmäßig. Es kann ja keine Selbstbeschäftigungstherapie werden, ja?
Und, so- Wie kann man das denn schaffen? Weil ich finde so Quote ist dieses Ding. Das macht es allen ein bisschen einfacher, vor allem die, die schon auf ihren Ressourcen sitzen zu sagen „Okay, jetzt haben wir da etwas Einfaches gemacht und dann, damit kann ich mich irgendwie so“- Und das trifft ja schon auf Gegenwehr, weil eigentlich muss es ja irgendeinen Mechanismus geben, wo die Mehrheitsgesellschaft die Menschen, in einer Machtpositionen, in einer Machtpositionen sind sich damit beschäftigen.
Weil das ist ein Phänomen der Mehrheitsgesellschaft. Rassifizierte Gruppen, das sind zugeschriebene Eigenschaften, die sind ja nicht intrinsisch. Und ich bin überall, wo ich hingehe, werde ich rassifiziert, sondern in- Ich werde von dem Kontext, der um mich herum ist, rassizifiert. Das ist eine Eigenschaft der Mehrheitsgesellschaft und nicht von mir, ja. Und, ich frag mich so- Was denkt ihr darüber? Findet ihr ist es trotzdem sinnvoll so etwas zu machen? Oder glaubt ihr- So, eigentlich müssen wir ein bisschen so radikaler oder anders oder so. Ich weiß nicht. Also, wie kriegen wir das hin. Und, ja, dass, dass- Ehrliche Frage, so.
Melanie Bittner: Ja, die Diversity-Arbeit und die Beschäftigung-[längeres Rauschen und Stille]
Lucy Larbi: Vielleicht kann ich dazu noch einmal zwei- Also, ich sehe das genauso, aber für mich macht das leider Sinn, dass das so ist. Warum macht das Sinn? Das ist ein Thema, das hat ganz, ganz geringer Opportunitätskosten. Also, es bedroht niemanden, wenn es nicht passiert. Also, die Frage ist „Was passiert, wenn wir es nicht tun?“ Nicht viel. Außer, dass sich die Betroffenen besser fühlen. Jetzt einmal ganz, ganz platt ausgedrückt und relativ generalistisch. Und, genau, dass- Also, ich, ich gehe mit der Annahme wirklich da rein: es interessiert niemanden, das Thema, also Diversity und Inclusion. Das interessiert nur Betroffene, es interessiert Intellektuelle, es betrif- Es interessiert Menschen mit viel Empathie und kleine andere Gruppen interessiert ist. Aber die Mehrheitsgesellschaft interessiert das eigentlich nicht, weil sie nicht betroffen sind und eben, weil das Risiko so gering ist.
Genau ähnlich mit den Nachhaltigkeitsthemen und deswegen wird das Thema Nachhaltigkeit ja auch in unserer Wirtschaft mittlerweile bestraft. Also, du musst mittlerweile zahlen, müsste Zahlen dagegen und einen Bericht auch schreiben und auch zeigen, dass du dich darin bemühst, eben ressourcenschonend mit den, also umzugehen. Und wenn du das nicht tust, wirst du sanktioniert. Und das funktioniert mit allen Themen so, die einfach für die Mehrheitsgesellschaft nicht interessant ist und wo das Risiko so gering ist. Und deswegen ist eben die Quota eben doch eine wichtige, spannende Debatte.
Das ist das eine, und das andere ist eben dann eben diese Thematik, glaube ich. Das finde ich ganz, ganz wichtig, diese Thematik manchmal weg von einer emotionalen Betroffenheitsperspektive hin zu einer relativ pragmatischen, mehrwertorientierten Perspektive zu führen. Und die Leute, die eigentlich zuhören wollen, meistens, das sind meistens blaue Menschen. Blaue Menschen sind Menschen, die mit Zahlen, Daten, Fakten arbeiten wollen und den Mehrwert sehen möchten. Und den Mehrwert sehe ich zum Beispiel in dem Thema ‚Cultural Marketing‘. Das ist, sozusagen, in meiner Meinung nach, die nächste Ebene, auf die wir das Thema Diversity und Inclusion heben sollten, um eben auch die Mehrheitsgesellschaft zu erreichen. Weil die Mehrheitsgesellschaft denkt sehr stark mehrwertorientiert. Aber, das einmal als Perspektive.
[Unverständlich, längere Stille; das Mikrofon von Melanie Bittner war nicht angeschaltet; Rauschen, Lachen]
Melanie Bittner: Ja, jetzt merke ich auch den Unterschied. Ich finde, dass jetzt ein guter Zeitpunkt, die, die Diskussion auch zu öffnen und diese harte, aber total wichtige Frage- Mich würde, würde auch interessieren, was, was Andere dazu denken. Also, ich- Wenn ich mich so umsehe- Ich schreibe auch hier zu, dass viele Studierende anwesend sind, vielleicht lege ich da auch manchmal daneben, das ist auch gut. Was denken Sie? Entweder zu der Frage oder wollen Sie unsere Panelists noch etwas anderes fragen? Etwas ergänzen?
Ich sage noch einmal kurz dazu: die, die Diskussion wird aufgenommen. Wenn Sie, wenn das jetzt für Sie, ist sozusagen, Ihnen unangenehm ist auf so einer Aufnahme zu sein. Wir haben Zettel und Stifte. Sie können Ihre Fragen aufschreiben, dann wiederhole ich die. Sie können die Frage einfach ohne Mikro stellen, dann wiederhole ich die, also, sozusagen, so ein bisschen als- Ich hoffe, das ist jetzt nicht irgendwie eine unangenehme Hürde. Wir dachten nur, wir wollen die Diskussion auch für diejenigen zur Verfügung stellen, die heute eben nicht in Präsenz dabei sein können. Haben Sie Fragen? Ideen? [Pause] Bitte schön. [Pause] Möchten Sie das Mikrofon, oder?
[unverständlich aus dem Publikum]
Publikumsmitglied 1: Danke schön. Erst einmal danke für die Diskussion. Ich fand es super spannend. Um jetzt das Thema noch einmal gleich mitaufzugreifen, ‚Diversität der diversitätshalber‘ und ob das nicht auch abgestraft werden sollte, wie jetzt zum Beispiel die ESG-Themen, die wir mittlerweile Unternehmen auch immer mehr sehen und die abgestraft werden und in Zukunft noch mehr abgeschafft werden sollen, würde ich noch einmal dagegenhalten, dass wenn wir uns Fachkräftemangel in Deutschland anschauen und die Unbeliebtheit von Fachkräften was Deutschland angeht, das wir aufgrund unserer nicht vorhandenen Diversität schon abgeschafft werden. Und ich wollte dazu noch mal Ihre Meinung hören, ob das, ob ihr das ähnlich seht oder ob ihr da vielleicht andere Mechanismen eher noch einmal dem zuschreiben würdet.
[Pause, Rauschen]
Melanie Bittner: Wer, wer möchte?
[Pause, Rauschen]
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Ich antworte jetzt als Migrationsökonomin. Also, voll. Also, ich bin voll dabei. Ich glaube nämlich, also ich versteh schon diesen Mehrwertgedanken und eigentlich müsste man nur auf die ökonomischen Vorteile von der Migration und von Diversität hinweisen und sagen „Ach, schaut doch mal: diverse Teams sind viel produktiver. Und wir brauchen ganz viel, wir brauchen 400.000 Migrant:innen pro Jahr um den demografischen Wandel einfach ausgleichen in Deutschland. Wir haben Fachkräftemangel“ et cetera pp.
Es gibt ein Papier zeigt, dass egal wie sehr man Menschen konfrontiert mit den ökonomischen Vorteilen von Diversität und Migration, dass sie so richtig ihre Meinung nicht ändern, ja. Und ich glaube das ist, das ist so heartbreaking, ja? Aber vielleicht bedeutet das auch einfach, dass Diversität vielleicht eben doch nicht nur als Mehrwert von, ökonomischer Mehrwert funktionieren kann, auf eine gewisse Art und Weise, sondern, dass da auch anders argumentiert werden muss. Ich habe keine Ahnung warum, und wenn ich das wüsste, dann wäre die AfD nicht so stark.
Aber ich glaube eben, dass wir auch unterschätzen, dass wir jetzt zum Beispiel diese Diskussion auf Deutsch haben und nicht auf Englisch. Ist das ein Trade-off? Wen schließen wir damit ein und aus? Also, es ist immer so eine so, eine Frage von wie digital, international zugänglich sind wir in Deutschland? Und ist es tatsächlich attraktiv für die Menschen, die auf der ganzen Welt gefragt sind, ja? Also, wir sind ja in Konkurrenz mit so vielen anderen Ländern, die genau dieselben Probleme haben. Und ich glaube, wenn wir, wenn wir da nichts tun, dann werden wir das auf jeden Fall sehr schnell merken. Ich weiß nur nicht, ob die Reaktion dann ist „Wir brauchen mehr Migration“ oder ob die Reaktion dann ist „Noch mehr Abschottung, noch mehr Kampf um Ressourcen, noch mehr Polarisierung“ und, dass das dann sogar in so behütete Kontext wie der akademische Raum irgendwie, dass da auch noch reingeht.
Also, ich mache es hier so ein bisschen ‚Gloom- und Doom-Day‘ irgendwie, aber so- Ich glaube- Irgendwie muss es ein Weg geben [Pause], diese Angst vor Ressourcenverlust abzudämpfen und ich weiß nicht wie es geht, weil ich bin bei dir, dass es Knappheit gibt. Und ich glaube, irgendjemand muss etwas abgeben. Und diese Konversation zu haben, das ist die schwierige und ich, ja. Ich würde mich freuen, wenn wir so eine Mehrwertdebatte führen könnten. Ich habe das Gefühl, dass wir da leider nicht so weit sind.
Melanie Bittner: Ja und vielleicht ist auch noch einmal die Frage, ob die für alle Diversitätsdimensionen eigentlich überhaupt funktioniert, also gleichermaßen. Dome Ravina und dann gab es hier noch eine Meldung, ich habe Sie gesehen.
Dome Ravina: Ja, ich glaube- Vielleicht kann ich aus der eher so Critical Race Perspektive etwas dazu sagen? Ich glaube spezifisch, wenn wir- Also, ich habe zum Beispiel auch an einem Projekt gearbeitet, da ging es Sensibilisierung von Mitarbeitenden aus Regelinstitutionen in Brandenburg des Arbeitsmarktes, also Jobcenter und Arbeit, Agentur für Arbeit. Wir wollen mit meinen Kolleginnen so viel machen. Also wir dachten “Okay, wir gehen diese Themen an und diese Themen an“ und dann kamen wir an die schwarzen Kacheln auch, weil apropos Deutschland und Technologie. Es ist schon sehr weit entfernt davon, was so gängige irgendwie Imaginationen dazu aussagen. Und genau, schwarze Kacheln, aber auch Wissensbestände ganz unterschiedlich. Und, genau, das alles, was wir uns vornahmen, konnten wir nicht machen. Und natürlich gehört auch zu einer guten Pädagogik dazu, sich da, sich da an das Publikum anzupassen und das dementsprechend zu bearbeiten.
Aber auf jeden Fall waren das so- Also zum Beispiel sehr so Herausforderungen im Sinne von, irgendwie, ich glaube- Es gab zum Beispiel ein, also, apropos- Also es war ein Projekt, das eigentlich genau diese Mitarbeitenden sensibilisieren wollte auf Dis-, auf Diskriminierung von Migrant:innen im Arbeitsmarkt. So Diversität, wenn wir das halt eher so Markwirt- Also, wenn wir das eher zu diesem, diesem- Also, ich will niemanden zu nahetreten, aber so diese oberflächliches Verständnis irgendwie nehmen, oder Antirassismus und Antidiskriminierung, wenn wir es tiefgründiger betrachten wollen und- Da gab es so Einstellungen, die ich beobachten konnte, die sehr paternalistisch waren, irgendwie sehr so- Die Verständnisse nahelegten von irgendwie deutsch sein als eigentlich sehr exklusiv.
Und wenn wir das in, in, im Vergleich betrachtet in anderen Ländern zum Beispiel, keine Ahnung, irgendwie, wie, wie Sie sagen, also- Sprache zum Beispiel, also viel, also, genau- Wir orientieren uns „Okay, dann, dann sprechen wir Englisch“ oder dann gibt es irgendwie Simultanübersetzung, oder dann- Aber nicht wir- Also es gibt eine Ordnung, die es zu folgen gilt und hier, wird Deutsch gesprochen, weil wir ja hier in Deutschland sind. Und das- Um eine, einen Das eine, einen Aspekt, sozusagen, zu erwähnen. Und ich glaube, es gibt nach wie vor, und da komme ich auf diesen Critical Race Aspekt zurück, es gibt nach wie vor ein sehr exklusives Verständnis auch von, von Deutschsein, weil es- Was wir auch an mehreren Stellen festgestellt haben im Zuge der Diskussion, einfach überhaupt nicht die Realität widerspiegelt.
Und ich glaube, damit müssen wir uns konfrontieren, weil es geht nicht darum, in Bezug auch auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse, also es geht nicht darum „Bitte, bitte, ich will Teil davon sein“, sondern „Ich bin schon Teil davon“, „Wir sind Teil davon“ und demnach gilt es die Gesellschaft zu strukturieren und irgendwie Ressourcen umzuverteilen und, genau- Und das ist, das sind- Ja, ich glaube ich hatte noch einen Punkt, aber ich glaube-
Lucy Larbi: Ich will doch noch einmal ganz kurz auf deine Frage eingehen, doch wollen, vielleicht in drei Punkten. Also ich glaube, dass Unternehmen noch [starke Betonung auf ‚noch‘] nicht bestraft werden, vielleicht bald. Aber, es sind, also aus- drei Dinge, die ich mir gerade noch einmal nachgedacht habe. Das eine ist, dass Unternehmen zunehmend Spezialisierung einkaufen. Also, sie holen sich ihre IT-ler aus Indien oder aus Uganda, aus Ruanda oder wo auch immer. Sie holen sich ihre Mitarbeitenden in der Beschaffungskette aus Polen. Also, das heißt, dass es gibt mittlerweile in der Beschaffungskette viel mehr Diversität oder, beziehungsweise, also wenn man das so, so nennt als Diversität, aber sie kaufen es sich eben ein.
Denn das Thema AI, das was eben viele Ressourcen und menschlichen Ressourcen in Zukunft ersetzen wird, und das andere ‚war of talent‘ auch, ist viel fluider. Also, die Menschen arbeiten mittlerweile ein Jahr, zwei Jahre in einem Unternehmen und dann wechseln sie sofort wieder. Das heißt ‚the war of talent‘, das muss man eben kreativer sein, um die Menschen zu bekommen. Das heißt, meine Antwort wäre, nein, sie werden noch nicht bestraft, aber perspektivisch bestimmt schon.
Melanie Bittner: Vielen Dank. Dann würde ich an das Publikum weitergeben.
Publikumsmitglied 2: Ja, also, ich hatte keine richtige Frage, sondern eigentlich nur einen kurzen Kommentar zu dem Wortbeitrag von eben, weil meine Frage ist- [unverständlich, Rauschen] Ja, nein, okay. Ich kann auch einfach ein bisschen lauter reden sonst. Okay. [lacht] Genau, meine Frage war so ein bisschen- Wir haben jetzt lange darüber gesprochen, dass wenn man es rational betrachtet, langfristig gesehen es natürlich vorteilhaft werden wird für die Gesellschaft und die Wirtschaft und so weiter und so fort mehr Diversität an allen Stellen zu implementieren. Die Frage ist so ein bisschen- Wir sitzen hier alle als Teil, würde ich jetzt sagen, der disprivilegierten Gruppe. Hier sitzen, hier sind sehr viele Frauen und, weiß ich nicht, Personen aus disprivilegierten Gruppen in diesem Kontext, und meine Frage ist so ein bisschen, wie können wir Personen aus privilegierten Gruppen in privilegierten Positionen dazu zwingen, so etwas tatsächlich auch umzusetzen. Weil es geht ja im Endeffekt darum, dass wir Ressourcen so umstrukturieren, dass auch Personen aus disprivilegierten Gruppen die eben nutzen können und diese weiterzuentwickeln. Gibt es da Actionpoints, die ihr/Sie aktiv irgendwie-
Melanie Bittner: Ich gebe die Frage gerne gleich weiter an Personen, die antworten wollen und würde noch vielleicht noch einmal so generell darauf hinweisen, dass, sozusagen- Wir nehmen Gruppen auch manchmal homogener wahr, als sie sind. Also das ist auch immer so ein bisschen die Gefahr, zum Beispiel Trans*-, nichtbinäre Personen nicht sichtbar zu machen, oder eben auch schwarze Personen und POC nicht sichtbar zu machen, wenn wir darüber reden, dass der Raum so weiß ist. Ich greife das jetzt nur als, sozusagen, als, als Anlass auf. Und würde auch Ihre Frage noch drannehmen, bevor ich dann vielleicht für eine letzte Runde ans Publikum gebe.
Publikumsmitglied 3: Ja genau. [Frage wird ohne Mikrofon gestellt und ist sehr schwer verständlich oder komplett unverständlich auf der Aufnahme, deswegen kann die Korrektheit des Transkripts an dieser Stelle nicht garantiert werden. Anfangs sind ein paar Sekunden komplett unverständlich.] Ich hatte ein Gespräch mit einer Freundin, wo es darum ging, vor allem so um Bewerbungsprozesse. Werden wir jetzt eingeladen aufgrund unseren Potentials oder aufgrund unserer Diversität? Und dann [unverständlich] viel so auf der untersten Ebene [unverständlich] also so ein [unverständlich], sage ich jetzt mal. Und dann die erste Frage, wie man da selbst mit umgeht und dann [unverständlich] sich öffentlich gut präsentieren und nicht wirklich in den hinteren Bereichen.
Melanie Bittner: Wollen Sie zuerst antworten und dann können wir die andere Frage noch einmal breiter aufgreifen?
Lucy Larbi: Ja das ist eine gute Frage und ich beantworte die Frage jetzt einmal aus meiner persönlichen, subjektiven Wahrnehmung und wie ich das machen würde. Ich denke es ist sehr wichtig als Mensch, als nicht privilegiert, als nicht privilegierter Mensch sich gute Strategien zu überlegen und eigentlich das System, wenn es dann vorteilhaft für einen ist, es selber zu nutzen. Also sprich, in dem Moment, ob du jetzt, ich sage einmal das als Potential gesehen wirst oder, ich sage einmal, das Diversity-Washing ist- Also, grundsätzlich ist das erst einmal eine Wertefrage. Ich würde niemals zu einem Unternehmen gehen, wo ich offensichtlich merke, das ist sozusagen, der ‚Diversity-hire‘.
Wenn ich das aber nicht weiß, ist das eine Annahme von mir. So und wenn ich, sozusagen, diese Annahme nicht bestätigen kann, dass es wirklich so ist, dann würde ich eher das so sehen, den ersten Schritt darein zubekommen, egal wo ich bin. Wenn ich da drinnen bin, dann entfalte ich mich und dann suche ich mir sozusagen, dann nutze ich, dann fange ich an das System zu verstehen und nutze es für mich, um eben nach oben zu kommen.
Und deswegen ist es, finde ich das sehr, sehr wichtig. Man kennt das alle, dieses „a seat at the table“. Das ist ganz spannend. Ich arbeite gerade mit, durch AidiA mit ganz vielen Partnern zusammen, mit ganz vielen großen Unternehmen und Sponsoren. Und warum komme ich da gerade so gut rein? Weil an vielen dieser Entscheidung schwarze Menschen sitzen. Und ich hätte sonst diese Gelder und diese Sponsoren nicht bekommen, wenn diese Menschen nicht an Entscheidungstischen gesessen hätten. Das heißt, meiner Meinung nach würde ich, wenn ich, sozusagen, mich wohlfühle in dem Unternehmen, da rein gehen, mein, das System verstehen und das System für mich nutzen. Es gibt ganz tolle Strategien, wie du in Unternehmen sehr erfolgreich sein kannst. Man muss, sozusagen, nur die Hebel kennen.
Melanie Bittner: Also ich habe auch rausgehört, das System für mich, aber auch vielleicht für andere, für die es schwieriger ist, zu nutzen.
Lucy Larbi: Absolut. Also, ganz genau. Das mache ich zum Beispiel in meinem Unternehmen. Dann sind nämlich mittlerweile, da sind wir da sechs schwarze Menschen, die dort arbeiten. Und auch- Wir haben jetzt auch die erste gehörlose Person, die dort arbeitet. Und ich habe einfach verstanden, wie das funktioniert. Ist eigentlich ziemlich einfach, dass man, also- Man muss nicht fragen, sondern also, ich sage einmal so- Lieber entschuldige ich mich für einen Fehler, als dass ich frage. Und es ist viel wichtiger, sehr, sehr wichtig, Dinge einfach zu tun. Und es gar nicht erst zu hinterfragen und zu fragen, sondern es zu machen. Und danach gibt es eigentlich keine- Es gibt eigentlich keine, also es gibt ja keine Gesetze in dem Unternehmen, wo man dir widersprechen kann, dass es nicht so ist. Also, das ist sehr, sehr gespannt, aber darüber können wir noch einmal so sprechen, da gibt es tolle Strategien auf jeden Fall.
Melanie Bittner: Vielen Dank. Dann, ja, würde ich gerne zum, zum Abschied, Abschluss noch einmal die Frage aufgreifen, sozusagen, wie eben auch Menschen mit, mit Privilegien aber Gestaltungsmacht erreichen, die noch nicht, noch nicht irgendwie Teil der Diversityarbeit sind oder da vielleicht auch sehr, sehr wenig Wissen haben, das ist ja auch thematisiert worden oder wenig Motivation haben, wenig Interessen haben, wenig verlieren können. Also, war ja ganz viel schon Thema, ich- Wer möchte anfangen?
Hannah Nitsch: Ich würde vielleicht-
Melanie Bittner: Ja gerne.
Hannah Nitsch: Dazu nur eine kurze Sache sagen aus meiner Zeit als dezentrale Frauenbeauftragte, oder auch generell aus dem Fakultätsrat kam das immer mal wieder raus. Als wir dieses Pilotprojekt gestartet haben, kam das aus der Zusammenarbeit zwischen Dekanat und Studierendenrat. Persönlich würde ich sagen, der Impuls kam von den Studierenden, aber das Dekanat hat sich, hatte sich bereit erklärt, da mitzuwirken, aber eben, hatte in dem Sinne nicht selbstständig den Impuls gesetzt.
So, das heißt, ich bin grundsätzlich der Meinung, dass auch Entscheidungsträger:innen, oder vor allem Entscheidungsträger, sich, wenn es um diese Gender-Perspektive geht, mit dem Thema auseinandersetzen wollen grundsätzlich, aber vielleicht nicht genug Motivation haben, das eigenständig zu starten. Das heißt, grundsätzlich würde ich sagen, das ist Impulsgeber und Impulsgeberinnen braucht, die vielleicht den ersten Schritt machen und eben für die Sichtbarkeit sorgen und sagen „Hey, wir hätten Lust darauf, das so und so zu machen.“ Und dann tendieren eben dann schon viele dazu, sich auch nicht aktiv gegen diese Diversitythemen zu stellen, weil es natürlich dann auch irgendwie mit einem Social, mit einer Social Cost einhergeht, sich wirklich aktiv dagegen auszusprechen und zu sagen „Nee, das mach ich jetzt nicht und ich möchte das, ich möchte ich, möchte mich, mich damit nicht auseinandersetzen.“
Auf der anderen Seite, sieht man dann eben aber auch häufig, wenn es dann Work-, Work-, wenn Workshops angeboten werden, für welche Statusgruppe auch immer, sowohl für Studierende als auch für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen oder generell alle Mitarbeitenden an einer Fakultät, dass der Take-Up gering ist. Selbst unter den Studierenden, wo man dann sagen würde, okay, das sind vielleicht die, die sich dann da dann schon noch aktiver mit solchen Themen auseinandersetzen. Wir hatten- Es wurde ein Diversity-Workshop organisiert, wo wir Probleme hatten, sechzehn Teilnehmende zu finden, bei einer Studierendenschaft von über 1000 so.
Und das ist ein Problem, was sich glaube ich durch viele Schichten zieht. Das man grundsätzlich solchen Themen nicht abgeneigt ist, aber sagt „Okay, meine Interessen reicht es nicht aus, dass ich mich da tiefergehend beschäftigen möchte.“ Meiner Meinung nach, ist Zwang schwierig. Weil es kann in zwei, in zwei Richtungen gehen. Man kann sagen, okay es gibt dann vielleicht Leute, die sich sonst mit diesem Thema nicht auseinander setzen würden, die dann sagen „Okay, dann mach ich das jetzt mal, jetzt bin ich gezwungen. Ah, ist ja doch ganz interessant.“
Aber es kann eben auch in die andere Richtung gehen, wie Sulin gesagt hatte, okay, wenn man dann eben zu irgendetwas gezwungen wird, dann verhärten sich vielleicht auch einfach die Fronten. Und ich glaube im Endeffekt, ist es das Wichtigste, dass es Leute gibt, die einen Impuls geben, die ein Angebot schaffen. Die dann vielleicht auch eben klein anfangen, aber mit der Zeit und mit höherer Sichtbarkeit wird es immer mehr werden, ist zumindest meine optimistische Hoffnung. Aber an sich da einen Zwang zu schaffen oder auch davon auszugehen, dass bei, nach einem Jahr oder nach einem Jahr Pilotprojekt, dass dann hier direkt die Präsident-, die Präsidentin oder Vizepräsidenten der HU sitzen, also wirklich etwas entscheiden können, ist utopisch. Ich glaube, man muss einfach am Ball bleiben und sich von etwas nicht discouragen lassen. Und dann sagen, „Okay, ah, es sind nur dreißig Leute da, dann höre ich auf, gibt ja anscheinend kein Interesse“, ich glaube da muss man ein bisschen unterscheiden, aber Zwang würde ich sagen geht auch nicht.
Melanie Bittner: Langer Atem
Hannah Nitsch: Ja, genau. [lacht]
[Pause]
Lucy Larbi: Ich kann dazu vielleicht einen Satz dazu sagen. Ich vergleiche das immer sehr gerne mit dem Fußball. Also, mich kann, sozusagen, eigentlich, also, ich gucke kein Fußball und ich finde es auch langweilig, aber bei der WM bin ich am Start. Warum? Weil es dann für mich relevant ist. Ich fühle, ich bin, ich fühle mich als Teil des Ganzen. Ich sehe die, ich sehe die Relevanz, ich fühle mich betroffen. Ich will, dass eben eine Mannschaft gewinnt.
Und das ist, sozusagen, ähnlich wie bei der DEI- Debatte oder auch bei den Themen. Ich kann niemanden dazu zwingen, ich es nur relevant machen. Und ich glaube auch- Meine persönliche Meinung ist, dass das Thema zu stark emotionalisiert wurde, sodass sich viele nicht mehr betroffen, dass es viele nicht mehr interessiert an diesem Thema sind, weil die Debatte oft entweder sehr abstrakt ist, sehr emotional oder politisch. Und ich glaube, man muss das auf eine Ebene heben, das es eben relevant ist für alle und das sehe ich eher, wie gesagt, in, da in eher pragmatischeren Strukturen.
Melanie Bittner: Also, wir haben noch die Zeit. Sie können gerne auch noch einmal etwas sagen.
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Vielleicht, weil wir hier fast unter Ökonom:innen sind. Also ich glaube, wenn wir es schaffen Anreize zu setzen und das so ein bisschen struktureller anzugehen- Weil wir haben so ein bisschen die Tendenz, zumindest in der Wissenschaft, dass Leute, die bereits viel haben, sehr viel Ressourcen zugeschustert bekommen. Und auf den Ebenen, auf denen eigentlich Diversität ein bisschen besser präsentiert ist, das ist diese Menschen eben die Ressourcen nicht bekommen, ja. Das heißt, man hat die Ü50-cis-Männer, die auf ihren Lehrstühlen sitzen und ein Drittmittelprojekt nach dem anderen einwerben und dann noch leistungsorientiert noch etwas da drauf bekommen und so weiter und so fort. Und dann häuft sich, häufen sich so die Ressourcen auf einer Stelle an, die so wie so schon sehr privilegiert ist.
Und dann rackern sich die Juniorprofs mit so einer viertel SHK-Stelle irgendwie ab, und versuchen damit irgendwie etwas zu bewegen und sitzen dann hier noch als Juniorprofessor:innen auf den Panels und sind bei diesen Netzwerktreffen dabei und so weiter und so fort. Also, wenn man einmal einfach sagen würde „Nee, wir machen jetzt Umverteilung, ja, und, und channeln nicht die ganzen Funds dahin, wo sie sowieso schon sitzen, dann würde sich auch mit der Zeit, eine, eine Machtverhältnisumkehr einstellen, ja.
Also, dann, dann wäre- Dann wäre es nicht mehr so geschützt, sondern da gäbe es mehr Zugänge. Aber es gibt die Ungleichheiten. Und systematisch haben wir, immer weiter wird da noch reingebuttert in die Ungleichheiten. Und wenn wir das irgendwie schaffen, zu sagen „Hey, so es geht um die strukturellen Aspekte.“ Es geht- Es ist voll gut, dass wir den Schritt jetzt machen und ich bin eigentl- Also, du hast mich überzeugt. So. Es ist nicht cool zu sagen „Hier sitzen nur dreißig Leute, das lohnt sich gar nicht.“ Oder „Hier sitzen nur Betroffene, das lohnt sich gar nicht.“ Sondern, erst kommt das Green-Washing und dann kommt die Kritik am Green-Washing und dann kommt vielleicht der tatsächliche Wandel? Und vielleicht sind wir jetzt gerade im Diversity-Washing Zyklus angelangt, ja? Und jetzt puschen wir einfach, dass es systematisch umgesetzt wird und haben dann hoffentlich die Leute, die da sind, die Dynamik reinbringen, und jetzt müssen wir einfach ein bisschen Lärm machen und das dann tatsächlich systematisch umsetzen. Also, danke, dass ihr gekommen seid. Ich nehme alles zurück.
Melanie Bittner: So, wir haben, haben ja auch angefangen mit den Ressourcen und sind bei denen jetzt wieder gelandet. Auf jeden Fall Dome Ravina, Sie möchten auch gerne.
Dome Ravina Olivo: Ja genau. Also, es gibt natürlich, also ich glaube bei diesen Fragen- Ich denke, naja es gibt so ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten und auch- Ich finde diese, dieser Kommentare zum Beispiel zu Ideologie, die, die, die nähern sich auch so an Identitätspolitikkritik, weil zum Beispiel, wenn wir über Identitätspolitik sprechen- Es wird bestimmten Gruppen vorgeworfen, Identitätspolitik zu betreiben, aber wir nennen Identitätspolitik nicht, wenn zum Beispiel die gleichen Menschengruppen, gesellschaftlichen Gruppen immer wieder die Ressourcen bekommen und andere nicht. Aber das ist ja genauso identitätspolitisch, oder? Aber das so reden wir nicht darüber.
Und ich glaube aus der, auf der Ebene würde meinen Kommentar sein, dass ich, also ja, wir leben in einem, in ein bestimmtes Wirtschaftssystem und dieses Wirtschaftssystem zeichnet sich durch Profitmaximierung aus und, und auch zum Beispiel durch bestimmte Politiken, also wie „teile und herrsche“. Und „teile und herrsche“ führt dann dazu, dass irgendwie unterschiedliche Gruppen sich gegenseitig um die knappen Ressourcen streiten. Und ich würde sagen, eine Perspektive für mich ist, oder eine Möglichkeit, eine mögliche Annäherung daran, Dinge zu verändern, wäre eben diese „teile und herrsche“-Politiken zu widersetzen.
Und in dem Sinne- Und auch so, zum Beispiel, Antidiskriminierungsarbeit ist eben nicht profitabel. Also wenn wir jetzt weggehen von Anreizen für die, die schon, die Forschung auch belegt, dass sie nicht funktionieren, oder auch die Psychoanalyse irgendwie uns, Mechanismen irgendwie auf die Hand, also, Mechanismen, über Mechanismen, oder Mechanismen aufzeigt, wie Menschen trotz so viel Wissen irgendwie auch nicht Meinungen oder Affekte, Emotionen, et cetera, Einstellungen verändern. Was jetzt nicht heißt, wir sollten jetzt aufgeben. Es ist so, die Ambivalenzen, die Widersprüche sind da, die Grenzen sind auch da, aber wenn wir, gerade wenn wir [unverständlich] passiert zum Beispiel und machtkritisch denken-
Also, viele Dinge, die wir gerade für gegeben geben, also, ich denke immer, zum Beispiel an solche Daten wie- Ich bin ´89 geboren. Ich glaube ´91 hat der letzte Kanton in der Schweiz das Frauenrecht entschieden. Ich bin immer noch- Ich kann diese Information immer noch nicht begreifen, dieses da, solche Daten. Und genau, also Dinge verändern sich, aber um, damit sie sich verändern, müssen wir uns bewegen. Und ich glaube eben Antidiskriminierungsarbeit zu betreiben, sich zu vernetzen, sich zu organisieren.
Und ich, ich lasse mir irgendwie auch nicht sagen, das ist ideologisch gefärbt. Ich glaube wirklich es ist jenseits von wie ich mich irgendwie ideologisch positioniere, sondern es sind einfach so ‚global emergencies‘, so wie Klimawandel. Klimawandel kann doch nicht irgendwie eine Sache von links sein. Klimawandel ist einfach eine absolute- Also, Klimawandel, Klima, Arbeit um, für die Klimagerechtigkeit oder die Klimawandel irgendwie mit einbezieht ist einfach eine- Also, das, das muss passieren. [lacht] Und, genau. Und ich glaube genauso auch die Gerechtigkeit oder die Teilhabe schaffen für marginalisierte Gruppen und Chancengerechtigkeit schaffen und gegen Diskriminierung vorzugehen und für, für mehr tatsächliche Pluralität irgendwie sich zu engagieren.
Melanie Bittner: Also, ich glaube so leicht optimistisch mit so Richtung Handlung irgendwie enden wir, enden wir damit auf jeden Fall. Vielen Dank dafür. Vielen Dank, dass Sie hier waren auf unserem Panel, sozusagen als zweite oder dritte Schicht, ich weiß nicht, was Sie heute sonst schon so gemacht haben. Vielen Dank für die Organisation des Podiums und schön, dass Sie hier waren. Ich hoffe, Sie können etwas mitnehmen und haben weiterhin Lust sich mit dem Thema zu beschäftigen. Ich wünsche noch einen schönen Abend.
[Applaus, Rauschen]
Prof.in Dr.in Sulin Sardoschau: Danke Frau Horn.